Karl-Heinz Andresen verwaltet die Geschichte Wörrstadts

Karl-Heinz Andresen ist der Chronist von Wörrstadt. Quasi aus dem Nichts hat er ein Stadtarchiv aus dem Boden gestampft. Foto: photoagenten/Axel Schmitz
© photoagenten/Axel Schmitz

Als Beigeordneter ist Karl-Heinz Andresen auf eigenen Wunsch für das Archiv seiner Heimat Wörrstadt zuständig. Sein größter Schatz ist eine Fotosammlung aus vielen Jahrzehnten.

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WÖRRSTADT. Karl-Heinz Andresen hebt den Deckel eines braunen Pappkartons hoch. „Schaut euch das mal an“, sagt der 70-Jährige und klingt fast ein wenig ehrfürchtig, als er auf die Filmdöschen im Inneren der Box deutet. Seinen vielleicht größten Schatz nennt Andresen sie. Einen, den man mit Geld nicht bezahlen kann. Auf den Filmen befinden sich Aufnahmen, zählt man alle zusammen, sind es Tausende. Bilder einer rheinhessischen Kleinstadt und umliegender Dörfer, Motive aus vielen Jahrzehnten. Zeitdokumente, Erinnerungen.

Der gesamte Nachlass des verstorbenen Fotografen Jean Bieser. Andresen fand sie vor einigen Jahren, verstaut und beinahe vergessen auf einem Bauernhof in Spiesheim. Nun sind sie da, wo sie hingehören – gut aufgehoben in der Dachgeschosswohnung im Wörrstädter Rathaus. Seit drei Jahren dient sie als Archiv der Stadt – hier oben verbringt Karl-Heinz Andresen viel Zeit. Schon von Amts wegen. Als Dritter Beigeordneter ist er neben Friedhöfen, Sport- und Spielplätzen auch für die Historie seiner Heimat zuständig. Bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren ließ er sich den Geschäftsbereich auf eigenen Wunsch ins Zuständigkeitsprofil schreiben. „Da war mir noch nicht klar, wie viel Arbeit das ist“, sagt er heute lachend. Allein schon die Fotos. 40 Prozent davon habe er mittlerweile digitalisiert. „Aber alles werde ich in meinem Leben nicht mehr schaffen ...“

Erst die Pyramiden, dann das Wörrstädter Schloss

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Schon als Jugendlicher interessierte sich Andresen für Geschichte, allerdings nicht für die Örtliche: Ägyptischen Pyramiden und Pharaonen galt seine ganze Aufmerksamkeit. In späteren Jahren entdeckte er schließlich die Leidenschaft für die Vergangenheit seines direkten Umfeldes, als Ahnenforscher der eigenen Familie. Und – nach Lektüre diverser Ortschroniken – schließlich auch für die Wörrstadts. „Vor allem das Schloss hat mich damals interessiert.“

Noch heute erzählt Karl-Heinz Andresen begeistert von dem Adelssitz, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts gebaut wurde und nur wenige Jahre später wieder verschwand. Bilder an den Wänden des Stadtarchivs zeigen das Schloss und seine einstigen Bewohner.

Einen prunkvollen Toilettenstuhl und einen übergroßen Schlüssel aus Eisen hat der Beigeordnete im Laufe der Jahre aus Privatbesitz in Stadteigentum überführt. „Die Leute haben gemerkt, dass ich mich wirklich dafür interessiere und ihn mir überlassen“, erzählt er. Genau das sieht Andresen als seine wichtigste Aufgabe an: Sich umzuhören, ob in Privathaushalten noch irgendwo historische Kostbarkeiten rund um Wörrstadt herumfliegen und diese zusammenzutragen. Für mehr fehle ihm als Einzelkämpfer auch einfach die Zeit. Ordnung in das Sammelsurium bringen? „Dafür bräuchte man mindestens noch ein bis zwei Leute, die sich dafür interessieren.“

In den zurückliegenden zehn Jahren – schon als einfaches Stadtratsmitglied fing Andresen mit der Arbeit an – hat er das Stadtarchiv quasi aus dem Boden gestampft. Denn: „Es war im Prinzip alles verloren, die früheren Bürgermeister hatten fast alles, was alt war, irgendwann weggeworfen.“ Umso beeindruckend er scheint das, was der Wörrstädter in den zurückliegenden Jahren so alles zusammengestellt hat.

Der Öffentlichkeit will Karl-Heinz Andresen im Übrigen seine Funde keineswegs vorenthalten. Zum VG-Weinfest in Wörrstadt im kommenden Jahr will der Beigeordnete das Archiv für Besucher öffnen. Seit neun Jahren organisiert der 70-Jährige anlässlich des Wörrstädter Marktes außerdem eine Foto-Ausstellung mit historischen Bildern – jedes Mal ein absoluter Publikumsmagnet. „Meine größte Belohnung ist es, wenn die älteren Leute mir danach beim Gehen auf die Schulter klopfen und sagen: Bub, hast du gut gemacht.“