Der Patient konnte es erst gar nicht glauben. Er war mit einem Bandscheibenvorfall in die Praxis Hagen Klein gekommen und glaubte, diese Schädigung seiner Wirbelsäule sei...
WÖRRSTADT. Der Patient konnte es erst gar nicht glauben. Er war mit einem Bandscheibenvorfall in die Praxis Hagen Klein gekommen und glaubte, diese Schädigung seiner Wirbelsäule sei auch die Ursache für die starken Schmerzen im Bein. Eine osteopathische Untersuchung brachte aber ein ganz anderes Ergebnis: Der Endabschnitt des Dickdarms stand unter starker Spannung und übte dadurch Druck auf in der Tiefe gelegene Gefäße aus, was letztendlich zu einem Rückstau in die Wirbelsäule führte. Die Schmerzen im Bein kamen also nicht direkt von der Bandscheibe, sondern aus dem Bauchraum.
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Solche Zusammenhänge zu erkennen, das ist Ziel der Osteopathie. Der Begriff setzt sich zusammen aus den griechischen Worten für „Knochen“ und „Leiden“. Die Osteopathie behandelt jedoch nicht nur Störungen am Skelett, sondern auch Funktionsstörungen von Organen, des Gefäß- und Nervensystems. „Es ist eine Therapieform, die immer den ganzen Menschen im Blick behält“, sagt Hagen Klein. Der gelernte Physiotherapeut hat eine berufsbegleitende fünfjährige Ausbildung in Osteopathie und während dieser Zeit eine zusätzliche Prüfung zum Heilpraktiker absolviert und unterhält in Wörrstadt eine eigene Praxis.
Vor der Erstbehandlung eines neuen Patienten schaut er nicht nur dort nach, „wo es weh tut“, sondern untersucht den gesamten Körper. Denn wie das anfängliche Beispiel zeigt, haben die Schmerzen mitunter einen ganz anderen Ausgangspunkt als den vermuteten. So kann ein Beckenschiefstand, der sich auf die Wirbelsäule, die Statik und letztendlich bis zum Hals auswirkt, zu Kopfschmerzen führen. Während andererseits Rückenschmerzen nicht nur aus der Wirbelsäule entstehen, sondern auch durch Funktionsstörungen oder Spannungen im Bereich der inneren Organe verursacht werden können. Das einzige Arbeitsmittel, das in der osteopathischen Behandlung benutzt wird, sind die Hände. Mit ihnen tasten die Therapeuten den Körper ab, untersuchen und behandeln meist mit sanftem, in seltenen Fällen auch kräftigem Druck die Gelenke oder auch Gefäße und Organaufhängungen. „Der Amerikaner Andrew Taylor Still, auf den diese Behandlungsmethode zurückgeht, drückte es einmal so aus: Wir brauchen sehende, denkende, fühlende Hände“, erklärt Hagen Klein. „Im Grunde“, fügt er lächelnd hinzu, „sind wir Mechaniker, Klempner und Elektriker in einer Person.“ Als „Mechaniker“ korrigieren Osteopathen durch gezielte Techniken Blockaden und Bewegungseinschränkungen in Gelenken. Als „Klempner“ arbeiten sie mit dem Gefäßsystem, verbessern den Blutfluss in den Organen und Muskeln oder entstauen die Gefäße. Als „Elektriker“ schließlich beseitigen sie Störungen und Druck auf Nervenstrukturen, die durch Spannungen im Gewebe entstanden sind. Darüber hinaus geben sie ihren Patienten aber auch Hinweise, was sie selbst tun können, um die gleichen Probleme nicht wieder zu bekommen. Das reicht von Bewegungsänderungen über eine Ernährungsumstellung bis hin zur Stressreduzierung.
„Viele, die zu uns kommen, haben schon eine wahre Odyssee hinter sich und hoffen, dass wir durch unsere ganzheitliche Sichtweise die Störung ausfindig machen können“, sagt Hagen Klein. Zu seinen Patienten gehören aber auch Säuglinge, die unter Koliken leiden, einen Schiefhals haben oder als „Schreikinder“ ihre Eltern beunruhigen.
Obwohl sie einen anerkannten Heilberuf ausüben, können Osteopathen in der Regel nicht mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Patienten müssen die Behandlung deshalb selbst bezahlen. Die meisten gesetzlichen Krankenkassen gewähren aber unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse zu der Therapie. Einzelheiten sind bei den Kassen selbst zu erfragen. Eine einstündige Behandlung kostet je nach Praxis zwischen 80 und 100 Euro, die Wartezeit auf einen Termin liegt in Hagen Kleins Praxis zwischen zwei und vier Wochen. Akutpatienten können aufgrund einer Warteliste auch kurzfristig versorgt werden.