Ein Bürgerbegehren über einen Mobilfunkmast ist in Freimersheim abgelehnt worden. Die Begründung dafür zeugt allerdings von Unwissen und könnte ein juristisches Nachspiel haben.
FREIMERSHEIM. Mit einem Mehrheitsbeschluss hat der Gemeinderat am Dienstag ein geplantes Bürgerbegehren zur Aufstellung eines Funkmastes auf gemeindeeigener Fläche abgelehnt. Und sich dabei juristisch auf dünnes Eis begeben. Mehrere Aspekte des Beschlusses sind formal gesehen – gelinde gesagt – fragwürdig, der Gemeinde könnte im Falle einer Klage eine krachende Niederlage drohen.
Rat darf nur formal begründen, nicht inhaltlich
Was ist passiert? 95 Bürger des Dorfes hatten das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift ins Rollen gebracht (die AZ berichtete). Darin fordern sie ein unabhängiges Gutachten über die Aufstellung des Funkmastes, seinen Standort, seine Höhe und die zu erwartende Strahlenbelastung. Beraten wurden die Initiatoren dabei vom Verein „Mehr Demokratie“. Nach erster Prüfung durch Verbandsgemeinde und Kreisverwaltung war das Begehren nun am Dienstag Thema im Gemeinderat. Das rheinland-pfälzische Landesrecht schreibt vor, dass der Rat über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens befinden muss. Gemeint ist damit die formale Zulässigkeit, es geht etwa um die Einhaltung der Vorschriften oder um die Frage, ob der Gegenstand des Bürgerbegehrens nach den rechtlichen Vorgaben überhaupt zulässig ist.
In seiner Ablehnung des Bürgerbegehrens am Dienstag nahm der Gemeinderat jedoch auf all diese Aspekte überhaupt keinen Bezug, sondern begründete seine Entscheidung rein inhaltlich. In der von der Ortsgemeinde verfassten Beschlussvorlage heißt es als Begründung: „Die Ortsgemeinde hat die Bürger über die Errichtung eines Funksendemastes auf gemeindeigenem Grund in der Gemarkung umfassend informiert. Siehe auch die Einwohnerversammlung vom 20. März: Es sind keine nachteiligen Auswirkungen auf die Bevölkerung zu erwarten. Alle Grenzwerte werden eingehalten.“
Ob diese Begründung, der im Rat sechs Mitglieder gefolgt sind (bei zwei Nein-Stimmen), einer juristischen Prüfung standhält, ist mehr als fraglich. Das bestätigt auch Thomas Rahner, Rechtsanwalt und Experte für Kommunalrecht. „Der Gemeinderat hat keine Befugnis, sich zu einem so frühen Zeitpunkt eines Bürgerbegehrens inhaltlich dazu zu verhalten“, sagt der Jurist auf AZ-Nachfrage. Eine inhaltliche Begründung als Ablehnung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens sei ihm in dieser Form auch noch nie begegnet.
Ähnliches ist aus dem Innenministerium in Mainz zu hören. Inhaltlich könne der Gemeinderat das Bürgerbegehren nur daraufhin überprüfen, ob es eine Angelegenheit der Gemeinde betrifft, ob das Bürgerbegehren eine zulässige Angelegenheit zum Gegenstand hat und ob bereits innerhalb der letzten drei Jahre ein Bürgerbegehren zu diesem Gegenstand durchgeführt worden ist, heißt es dort. „Sofern alle gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind, hat der Gemeinderat das Bürgerbegehren zuzulassen. Ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum des Gemeinderats besteht nicht.“
Die Frage ist nun, ob die Kommunalaufsicht einschreitet und den Ratsbeschluss aufhebt. Die Kreisverwaltung war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ebenfalls möglich wäre eine Klage durch die Initiatoren des Bürgerbegehrens vor dem Verwaltungsgericht. Dabei drängt jedoch die Zeit: Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung wurde am Dienstag bereits über den Anmietvertrag für den Mast entschieden.
Eine Klage brachte Ortsbürgermeister Wilfried Brück bereits am Dienstag selbst ins Spiel. Versehen mit dem Nachsatz, die Initiatoren sollten in diesem Fall schon mal Geld sammeln, denn das werde teuer. Er sehe einer rechtlichen Auseinandersetzung „sehr gelassen“ entgegen. Ob die von der Ablehnung enttäuschten Freimersheimer diesen Weg gehen wollen, soll jetzt im Kreise der Initiative erörtert werden.
In einer Erklärung hatte BI-Sprecher Denis Burkhard im Rat noch einmal das Anliegen des Bürgerbegehrens verdeutlicht: „Wir sind nicht gegen den Mobilfunkmast, aber wir wollen wissen, was da wirklich an Auswirkungen auf uns zukommt. Was wir bisher wissen, kommt aus dem Haus, welches den Mast errichten und betreiben wird. Deshalb fordern wir ein neutrales Gutachten zur Stärke der Strahlenbelastung für die Bürger, als auch die Prüfung des Standortes.“ Der soll nach bisheriger Planung am Rückhaltebecken oberhalb von Pfeffergasse und Bahnstrecke sein.
Das Gutachten, so Burkhard, solle einzig und allein dem Gemeinderat als Entscheidungsgrundlage für die Beschlussfassung über die Errichtung des Funkmastes dienen. Einen Vorschlag, wer das Gutachten erstellen könnte, brachte die BI gleich mit: das „Fachinstitut für elektromagnetische Verträglichkeit zur Umwelt“. Die Kosten dafür bezifferte Burkhard mit rund 5000 Euro. „Wir möchten zum Ausdruck bringen, dass es sehr schade ist, dass diese unabhängige Prüfung Teile des Ortes spaltet. Denn wir leben alle hier und sind alle betroffen. Demnach sollten 5000 Euro für mehr neutrale Information nicht zu viel sein“, betonte der BI-Sprecher, „unser Ziel ist es, dass die Bürger und der Gemeinderat gemeinsam den Weg aus dem Mobilfunkloch gehen.“
Die gesamte Diskussion fand am Dienstag übrigens ohne Begleitung durch die Verbandsgemeinde statt. Ein Mitarbeiter der VG stand der Gemeinde lediglich beim Tagesordnungspunkt Haushalt beratend zur Seite.