Hoch oben sitzt Till Eulenspiegel. Wie eine Schlange erhebt sich die Figur aus einer Hülle seiner selbst. Die Terrakotta-Skulptur steht im neuen Bühnenraum der Eberhard- und...
FLONHEIM. Hoch oben sitzt Till Eulenspiegel. Wie eine Schlange erhebt sich die Figur aus einer Hülle seiner selbst. Die Terrakotta-Skulptur steht im neuen Bühnenraum der Eberhard- und Barbara-Linke-Stiftung. Sie ist nicht die einzige. Originale bekannter Skulpturen, die in ganz Rheinland-Pfalz in Bronze gegossen ausgestellt sind, stehen hier im Raum verteilt. Doch die Scheinwerfer sind heute nicht auf sie, sondern auf eine Bühne am Ende der ehemaligen Scheune gerichtet. „Wir sind gekommen euch zum Spaß.“ Holk Freytag, Irmgard Haub, Jürgen Kessler, Nicole Meisenzahl und Markus Schönberg vom Deutschen Kabarettarchiv stellen als Premiere ihr neues Programm „Ihr habt es weit gebracht“ in Flonheim vor.
„Ihr habt es weit gebracht“ lautet der Programmtitel
Heute Flonheim, morgen Berlin – „Es ist mehr ein Testlauf“, so der Geschäftsführer Jürgen Kessler. Am sechsten Mai kommenden Jahres soll das Programm die offizielle Premiere in der Berliner Distel feiern, Deutschlands wohl bekanntestem Kabarett-Theater. Es ist auch eine Hommage an einen Großen des deutschen Kabaretts – Hanns Dieter Hüsch. Die Texte stammen von Hüsch und Jürgen Kessler, die Inszenierung unter dem Regisseur Holk Freytag. Beide blicken auf Jahre der Zusammenarbeit mit Hüsch zurück und bringen dem Publikum ihren Freund und Kollegen an diesem Abend näher. „Seine Stimme ging unter die Haut, seine Poesie ins Herz“, sagt Nicole Meisenzahl. Mit Witz und Originalität, aber auch viel Emotion führen sie durch die mehr als 30-jährige Zusammenarbeit Kesslers und Hüschs.
Drei Meter hoch steht der „Mann von Castrum“ neben der Bühne, das Original der Skulptur, die in Bronze gegossen auf dem Ministerium des Inneren in Mainz steht. Ohne Arme und Gesicht steht die Skulptur des Flonheimer Künstlers in dem hohen Raum und strahlt dennoch vor allem eines aus – Macht. „Nur mein eigenes Gesicht, das sehe ich nicht“, liest Freytag. Genauso gesichtslos wie die mächtige Skulptur soll auch Deutschland sein. Es sind auch scharfe Worte zu hören. „Es läuft nicht gut hier unten, Dieter“, sagt Kessler. Mit Kritik an Republik und Gesellschaft sparen sie nicht. Der Islam, die alternative Familie – sie alle kommen nicht gut weg. Von einem Land, das sich nicht erreicht habe, sprechen sie. Doch „Ich bin kein Politiker, ich bin Poet“, zitieren sie den Kabarettisten. Es sind Erinnerungen an eine vergangene, gemeinsame Zeit und Kessler fragt sich, ob sie sich nicht wiedersehen „und irgendwo zwischen Himmel und Erde sind wir wieder auf Tournee.“ Sicher ist sich Jürgen Kessler über eines, „Hüsch hätte das Programm gefallen.“
Große Worte auf der kleinen Flonheimer Bühne. Uli Röhm, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Linke-Stiftung, sieht es als Auszeichnung „so einem literarisch, politischem Ensemble“ in der Gemeinde eine Bühne geben zu dürfen. Die kleine Premiere des Programms ist auch die Eröffnung der neuen Räumlichkeiten. Dabei hat die Stiftung viel Wert darauf gelegt, keinen leeren Saal zu gestalten, wie sie in vielen Städten zu finden seien. „Das Publikum soll zwischen den Skulpturen sitzen“, sagt Röhm und so ist ein ganz besonderes Flair entstanden. Auf die Flonheimer Bühne kam das Kabarettarchiv durch lange künstlerische Zusammenarbeit. Linke schuf schon Büsten von Dieter Hildebrandt und Hanns Dieter Hüsch für das Archiv. Auch für „Rheinhessen ein Gesicht geben“ hat der Künstler Portraitbüsten prominenter Rheinhessen, wie Elisabeth Langgässer oder Carl Zuckmayer, zum Jubiläumsjahr 2016 geschaffen. Sie werden in Lebensgröße aus Ton oder Bronze in vielen Gemeinden ausgestellt. Viel Energie habe der Künstler, so Röhm, und ist trotz der Gebundenheit an einen Rollstuhl nach einem Unfall noch viel am Arbeiten.