Einblick in Zeit vor 30 Millionen Jahren

„Im Zeilstück“ sind in diesem Jahr junge Zauneidechsen beobachtet worden. Foto: Alexander Streb
© Alexander Streb

Im November und Dezember stehen Pflegearbeiten in den Alzeyer Geotopen „An der Neumühle“ und „Im Zeilstück“ an.

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ALZEY-WORMS. (red). Neugierig schaut die junge Zauneidechse aus ihrem Versteck. Normalerweise ist das Geotop „An der Neumühle“ ein ruhiges Plätzchen, wenn nicht gerade Pflegemaßnahmen stattfinden oder zum Beispiel die Rheinische Naturforschende Gesellschaft (RNG) auf Exkursion unterwegs ist. Rheinhessen bietet eine Vielzahl geologisch und biologisch interessanter Sehenswürdigkeiten, deren Erhalt nicht selbstverständlich ist. Manche von ihnen bedürfen intensiver Pflege, um ihr komplettes Potenzial ausschöpfen zu können. Die Geotope von Alzey-Weinheim bieten fantastische Einblicke in die Zeit des Tertiär vor rund 30 Millionen Jahren. Gleichzeitig stellen sie wertvolle Refugien für die Natur in der von Ackerland und Weinbergen geprägten Landschaft dar. Diese beiden Aspekte gleichermaßen und gleichwertig zu erhalten, ist eine Aufgabe, der sich seit einigen Jahren engagierte Bio- und Geowissenschaftler stellen.

Abgeschlossene Areale bieten besten Lebensraum

Vor drei Jahren waren die geologischen Strukturen in den Geotopen „An der Neumühle“ und „Im Zeilstück“ mit buschiger Vegetation überwuchert, und Schnittmaßnahmen erfolgten nur in unregelmäßigen Abständen. 2015 übernahm die Biotopbetreuung in Rheinland-Pfalz die Pflege. Motorsäge und Freischneider befreiten die Zeugnisse der Erdgeschichte vom Dickicht. „Seither wird regelmäßig einmal im Jahr gemäht“, erläutert Corinna Lehr, Biotopbetreuerin im Landkreis Alzey-Worms.

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Tatkräftig unterstützt werden die Pflegearbeiten seit Herbst 2016 von den Mitgliedern der RNG. Mit vereinten Kräften werden Lössprofile und die Meeresablagerungen aus dem Tertiär freigelegt. Tiere und Pflanzen, die Sonne und Wärme brauchen und durch die Verbuschung verdrängt wurden, erhalten ihren Lebensraum zurück. „Auch ,Im Zeilstück‘ sind in diesem Jahr junge Zauneidechsen beobachtet worden“, berichtet Alexander Streb von der RNG. Dass sich nach kurzer Zeit der Offenhaltung die Tiere eingestellt haben, werten die Biologen, Geologen und Geografen als Erfolg ihrer Arbeit.

Einst galten die grün gefärbten Reptilien besonders in Rheinhessen als Kulturfolger. Die intensive Landwirtschaft und der steigende Flächenverbrauch lassen den Tieren heute nur noch wenig Raum. In den abgeschlossenen Arealen der Geotope finden die Zauneidechsen alles, was sie für einen optimalen Lebensraum brauchen: Sonnenplätze auf Steinen oder Holzstücken, Krautbestände zur Deckung und einen Unterschlupf für kalte und heiße Tage.

Im Sommer blühen in den Geotopen Hornklee, Kronwicke, und Johanniskraut – Nahrungspflanzen für Wildbienen. Die frei gelegten Lösskanten und offenen Bodenstellen bieten Pelz-, Sand- und Seidenbienen das perfekte Substrat, um ihre Brutröhren anzulegen. Rund 560 Wildbienenarten gibt es in Deutschland und allein 110 verschiedene Sandbienen.

Im zeitigen Frühjahr schlüpfen die solitär lebenden Bienen aus ihren Brutlöchern. Nach der Paarung gräbt die Sandbiene 5 bis 60 Zentimeter tiefe Gänge ins Erdreich. In die Brutkammer am Ende des Ganges werden Pollen und Nektar eingetragen und jeweils ein Ei abgelegt. Die Larve ernährt sich von dem Pollen, verpuppt sich im Sommer und schlüpft im Herbst. In der Brutkammer wartet die Biene dann auf die Frühjahrssonne.

Ganz und gar nicht vegetarisch geht es bei den Grabwespen gleich nebenan zu. Die Weibchen tragen Raupen oder Spinnen in die Brutröhren und legen dazu ein Ei. Die Beute ist nur gelähmt. Sie wird von den Larven der Grabwespen nach dem Schlüpfen verspeist.

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Am Fuß der Riffformation im Zeilstück findet man beim genauen Hinschauen geheimnisvolle, kleine Trichter im lockeren Sand. Gut versteckt lauert hier am Grund ein gefräßiger Räuber. Seine Beute sind Ameisen, die im Vorbeieilen in den Trichter fallen. Blitzschnell packt der Ameisenlöwe mit seinen großen Kieferzangen zu. Aus der robusten Larve schlüpft nach der Metamorphose die zarte Ameisenjungfer. Sie ist mit der Florfliege verwandt, als Nachtschwärmer bekommt man sie aber nur selten zu sehen.

In den Geotopen von Weinheim verbinden sich Jahrmillionen alte und heutige Lebensräume. So fördert der Dachs auch schon einmal Haifischzähne, Muscheln und Korallen aus dem Tertiär beim Graben an die Oberfläche.

Dass diese Verknüpfung erhalten bleibt, dafür werden die Biotopbetreuung und die RNG auch in den kommenden Jahren sorgen.