Simmertal: Keine Mehrheit für einzigen Bürgermeister-Kandidat
Jürgen Tatzke von den Freien Wählern war der einzige Kandidat für den Job des Bürgermeisters in Simmertal. Doch die Mehrheit der Bürger wollte ihn nicht.
Von Wolfgang Bartels
Jürgen Tatzke öffnet eine Sektflasche, doch zum Feiern gibt es eigentlich nichts. Der einzige Kandidat zur Wahl des Ortsbürgermeisters in Simmertal hat die notwendige Mehrheit der Stimmen weit verfehlt – und die erwarteten Gratulationen bleiben aus.
(Foto: Wolfgang Bartels)
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SIMMERTAL - Der Kandidat hatte schon Sekt, Schnaps und Brezeln aufgefahren – doch als Wahlleiter Helmut Hein das Ergebnis verkündete, gab es nichts mehr zu feiern. Der Krankenpfleger und Heilpraktiker Jürgen Tatzke (55) war durchgefallen. Der Mann von den Freien Wählern, einziger Ortsbürgermeisterkandidat für diese Wahl in Simmertal, erhielt deutlich weniger als die Hälfte der Stimmen – und damit war klar, so Wahlleiter Hein: „Damit ist der Bewerber nicht gewählt.“
Notwendig wurde die Wahl, weil die bisherige Ortsbürgermeisterin Christina Bleisinger (SPD) nach zahlreichen persönlichen Angriffen Ende August ihr Amt niedergelegt hatte. Ursache des Streits und vieler Konflikte im Dorf sind die „Dienstagsspaziergänge“, an denen „Querdenker“, Corona-Kritiker, aber auch Rechtsextremisten und sogenannte „Reichsbürger“ aus einem weiten Umkreis teilnehmen. Bleisinger hatte sich von diesen Aufzügen immer wieder distanziert: „Ich habe mich dieser Bewegung aus voller Überzeugung entgegengestellt, auch weil ich davon ausgegangen bin, dass es von öffentlichem Interesse ist, ihnen keinen Raum in unserem Ort zu gewähren, zumal mich im Vorfeld Bürgerinnen und Bürger baten, etwas dagegen zu tun.“ Der Gemeinderat – insbesondere die FWG – plädierte hingegen für „Neutralität“. In Wirklichkeit, so Bleisinger, gebe es zahlreiche Verbindungen zwischen Mitgliedern der FWG und den Demonstranten. So galt diese Wahl vielen Simmertalern auch als Gradmesser dafür, was die „normalen Bürger“ von den meist auswärtigen Demonstranten halten. Jedenfalls fand sich bei der jetzigen Wahl keine Mehrheit für Tatzke, der sich für durch Mediatorin Nicole Morsblech geleitete Gespräche mit den „Spaziergängern“ einsetzte, in deren Folge die „Spaziergänger“ eine Pause ankündigten.
Tatzke betrat das Wahllokal im Simmertaler Bürgerhaus gegen 17.30 Uhr, ausgestattet mit einer hölzernen Fliege und seiner typischen Kappe. Noch war er guter Dinge und berichtete, dass er punktgenau zum 1. Dezember in den Vorruhestand gehen wird, um sich ganz dem neuen Amt zu widmen, falls er denn gewählt werde. Dann stellte Tatzke fest, dass seine Uhr stehengeblieben ist. „Dem Glücklichen schlägt keine Stunde“, meinte er noch fröhlich, doch da lagen die Wahlzettel schon zum Auszählen auf dem Tisch. Das Ergebnis würde ihn alles andere als glücklich machen. Er wusste es nur noch nicht und baute das Sektbuffet auf. Langsam füllte sich der Saal, viele Simmertaler waren neugierig auf das Ergebnis.
Das lag um 19.02 Uhr vor, Wahlleiter Helmut Hein verkündete es: Von 1519 Wahlberechtigten hatten 864 ihre Stimme abgegeben, davon mehr als die Hälfte, nämlich 471 per Briefwahl. Das ist immerhin eine Wahlbeteiligung von 57 Prozent, nicht wenig für eine Wahl, bei der „nur“ der Ortsbürgermeister zu wählen ist. Vier Stimmen stellten sich als ungültig heraus. Tatzke erhielt 389 Ja-Stimmen und 471 Nein-Stimmen. Damit verfehlte der Kandidat der Freien Wähler die notwendige Mehrheit. Tatzke brauchte einen Moment, um das Ergebnis zu verkraften. Trotzig rief er in den Saal: „Nichtsdestotrotz, wir feiern trotzdem.“ Doch zunächst wollte keiner mitmachen, die Stimmung im Saal war arg gedrückt. Die „Dienstagsspaziergänger“ verkünden bereits vergangene Woche auf ihrer Facebook-Seite: „Aufgrund der aktuellen Entwicklung in Deutschland werdet Ihr bald von uns hören.“