Immer mehr Schwangere suchen im ländlichen Raum vergeblich nach Hebammen. Viele freiberufliche Geburtshelferinnen nehmen längere Strecken auf sich, um Frauen zu betreuen.
Von Julia Bernigau
Viele Schwangere haben Schwierigkeiten, eine Hebamme zu finden, besonders auf dem Land.
(Archivfoto: dpa)
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MAINZ-BINGEN - Eine Schwangerschaft ist für die meisten Frauen die wohl schönste und auch spannendste Zeit im Leben. Der Körper verändert sich und jeden Tag entwickelt sich das ungeborene Kind weiter. Ist das erste Trimester (bis zur 13. Schwangerschaftswoche) überstanden, stellt sich für jede werdende Mutter eine Frage: Wo finde ich eine Hebamme? Doch zu diesem Zeitpunkt wird es für viele Frauen schon schwierig, bis zum errechneten Geburtstermin eine Betreuung zu finden. „Viele Frauen melden sich bereits bei uns, nachdem sie einen positiven Schwangerschaftstest erhalten haben“, weiß Hebamme Angelika Klein. Die 56-Jährige leitet zusammen mit drei Kolleginnen das Hebammenzentrum Adebar & Zyklus in Ingelheim. Seit 1991 befindet sich das Zentrum in der Rotweinstadt, doch schon lange betreuen die mittlerweile sieben Hebammen Frauen im gesamten Kreis Mainz-Bingen. „Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem wir nicht eine Frau ablehnen müssen“, sagt Klein.
Wenn die Suche zur Odyssee wird – mit diesem Problem ist auch Manilla Keoun Huong vertraut. Im vierten, fünften Monat der Schwangerschaft ist die Suche nach der Hebamme in den meisten Fällen zu spät. „Ab nächstem Jahr möchte ich einmal in der Woche eine offene Sprechstunde anbieten, für die Frauen, die keine Hebamme gefunden haben“, sagt die Geburtshelferin. Die 29-Jährige hat seit Februar dieses Jahres ihre eigene Hebammenpraxis in Bingen. Zuvor hat sie im Kreißsaal gearbeitet, ist immer noch einmal in der Woche im Krankenhaus in Kirchheimbolanden tätig.
„Das Drei-Schicht-System in der Klinik funktioniert für Hebammen mit eigenen Kindern nicht. Die Arbeitsbelastung ist zu hoch, es fehlt an Personal“, sagt die Hebamme. Der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten lässt sich mit der eigenen Praxis erfüllen, „doch reich wird man auch damit nicht“. Nach dem zweiten Kind stand für die 29-Jährige fest, sich selbstständig zu machen. Ihre Praxis findet bereits nach wenigen Monaten so viel Zulauf, dass Manilla Keoun Huong bereits Frauen abgelehnt hat. „Ich habe selbst zwei Kinder und muss meiner eigenen Familie gerecht werden. Da muss ich dann irgendwann eine Grenze ziehen“, sagt sie.
Die Hebamme fährt bis Oberwesel. Es haben schon Frauen angerufen, die bereits eine Vielzahl an Hebammen angefragt hätten, erläutert die zweifache Mutter. Umso ländlicher die Region, desto dürftiger wird die Versorgung, weiß die 29-Jährige. „Rheindiebach, Trechtlingshausen, Stromberg – da gibt’s nicht viel.“ 30 bis 40 Minuten braucht Manilla Keoun Huong nach Oberwesel. „Ich schaue, dass ich dann wenigstens mehrere Frauen in der Umgebung besuche, bei einer einzigen Schwangeren lohnt sich die Fahrt wirtschaftlich schon fast gar nicht.“
Es fehlt an finanzieller Unterstützung
Die Krankenkassen zahlen für einen Hausbesuch 38 Euro, erläutert Angelika Klein. Vorgesehen sind dabei 20 bis 45 Minuten Aufenthalt. Angelika Klein findet für diese Arbeitsbedingungen klare Worte: „Es ist einfach frustrierend. Von der Gesellschaft erhalten wir zwar Wertschätzung für unseren Beruf, doch von der Politik erhalten wir nichts.“ Vor allem wenn es um finanzielle Unterstützung geht. Nach 35 Jahren Arbeitserfahrung hat sie Kolleginnen gesehen, die unter Burn-out gelitten und den Beruf gewechselt haben. „Wie in anderen Pflegeberufen fehlt es den Hebammen an Nachwuchs. Ein Grund dafür ist unter anderem die Bezahlung“, sagt Angelika Klein. Manilla Keoun Huong wird in ihrer Praxis mittlerweile von Jasmin Apel unterstützt. Die Hebamme hat zehn Jahre in Österreich in einer Klinik gearbeitet und ist seit acht Jahren wieder in Deutschland. Die Arbeit in einer Klinik sieht die 43-jährige Hebamme ebenfalls kritisch. Überstunden häufen sich über zwei Jahre an, freie Tage sind schwierig zu nehmen, erläutert Jasmin Apel.
Dass die Kreißsäle überlaufen sind, liegt auch daran, dass vielerorts Geburtsstationen schließen. Im Heilig-Geist-Hospital in Bingen gibt es seit zwei Jahren keine Geburtshilfe-Station mehr. Nächste Anlaufstelle sind entweder die Kliniken in Mainz oder Bad Kreuznach. Eine Autofahrt von 20 Minuten wird für einen Großteil der Schwangeren zu bewältigen sein, doch birgt eine längere Distanz auch Gefahren oder führt zu unschönen Geburtsorten. „Eine Kollegin aus der Region hat mir erzählt, dass Frauen bereits auf Parkplätzen oder im Krankenhausflur entbunden haben, da sie es nicht mehr rechtzeitig geschafft haben“, sagt Manilla Keoun Huong. Die Situation in den großen Kliniken beschreibt Angelika Klein als fatal. „Die Kolleginnen sind zum Teil massiv überfordert.“ Alternativen wie Geburtshäuser oder hebammengeleitete Kreißsäle vermisst Angelika Klein in der Region. „Dafür muss die Politik auch endlich die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.“