INGELHEIM - Woher hat die Ohrenbrücke in Ober-Ingelheim ihren Namen? Eigentlich ganz banal, wie Raimund Best von „Pro Ingelheim“ bei der Themenführung rund um das Ohrenbrücker Tor erklärte. „Die beiden Brücken, die früher hier über die Selz führten, sahen aus wie Ohren.“ Die heutige Querung hat mit dieser Assoziation nichts mehr zu tun; sie wurde erst viel später gebaut. Bevor am Ende der Edelgasse eine Brücke errichtet wurde, über die auch Fuhrwerke fahren konnten, wurde die Selz in diesem Bereich über eine Flachstelle (Furt) gequert. Bei Hochwasser allerdings war die Furt nicht passierbar.
Nach dem Vorbild des Uffhub-Tores
Ein Stück weiter oben in der Edelgasse steht das Ohrenbrücker Tor, 1381 erstmals erwähnt und vor einigen Jahren aufwändig restauriert und wieder aufgebaut. Der Aufbau sei nach dem Vorbild des Uffhub-Tores erfolgt, erläuterte Raimund Best. „Es ist nicht bekannt, wie das Ohrenbrücker Tor früher aussah.“ Wer Abbildungen aus dem Mittelalter habe, könne diese gerne vorbeibringen, schlug er den mehr als 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des geführten Rundganges vor.
Es war die erste Themenführung, die der Verein „Pro Ingelheim“ veranstaltete. „Wir haben über 20 Jahre Stadtrundgänge angeboten“, berichtete Vereinsvorsitzender Albert Overmeyer bei der Begrüßung der Premierengäste. In den letzten beiden Jahren indes habe die Beteiligung merklich nachgelassen. Daraufhin habe man überlegt, was man anders machen könne. Herausgekommen sei „eine ganz neue Art von Führung“. In Zukunft wird „Pro Ingelheim“ wechselnde Themenführungen in Ober- und Nieder-Ingelheim anbieten. Dabei werden ausgewählte Gebiete in den Fokus gerückt. Mit Daten und Fakten, alten Fotos und Anekdoten soll das Publikum spannende Einblicke in die historische Entwicklung verschiedener Quartiere erhalten. Es wird gezeigt, wie Gebäude, Straßen und Plätze früher aussahen und wie sie sich im Laufe des letzten Jahrhunderts verändert haben.
Die erste Themenführung am Sonntag startete im Neubaugebiet „Am Ochsenborn“, wo Raimund Best eine kurze Einführung ins Thema lieferte. Anhand eines kolorierten Merian-Stichs aus dem Jahre 1645 konnte sich die Gruppe ein Bild davon machen, wie dieser Bereich Ober-Ingelheims im 17. Jahrhundert ausgesehen hat. Über das Kloster Engelthal, das früher ein Zisterzienserinnenkloster war, führte Raimund Best die Gruppe zum Stiegelgässer Tor. Dort erfuhren die Teilnehmer, dass das Stadttor seinen Namen einer „Stiege“ verdankt, über die man auch nach Schließung des Haupttores in den Abendstunden noch in den Ort gelangen konnte.
Mit Fotos Wandel nachgezeichnet
Durch das Stiegelgässer Tor sei man früher nicht nur bis Großwinternheim und Schwabenheim gekommen, bemerkte Raimund Best. Kreuzfahrer seien über diese Route sogar bis nach Paris marschiert. Dort allerdings mussten sie erfahren, dass kein Geld vorhanden ist, um bis nach Jerusalem zu gelangen, und so mussten sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurückkehren.
Die erste Themenführung von „Pro Ingelheim“ endete im nahegelegenen Weingut Bettenheimer, wo Peter Weiland anhand von alten und neueren Fotos den Wandel des Gebiets rund um das Ohrenbrücker Tor noch einmal anschaulich nachzeichnete.