Harold (Hanns) Neumann 2008 zu Besuch in Ingelheim: Zusammen mit Schülern des Sebastian-Münster-Gymnasiums besuchten Neumann, seine Frau und sein Sohn die Grabstätten der Familie. Archivfoto: DIF
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INGELHEIM - Der letzte Zeitzeuge der jüdischen Familie Neumann aus Ingelheim ist tot. Harold (Hanns) Neumann verstarb am 9. November im Alter von 96 Jahren in den USA, wohin er 1939 vor den Nationalsozialisten geflohen war. „Mit Harold Neumann verliert der Deutsch-Israelische Freundeskreis Ingelheim (DIF) den letzten Ingelheimer Zeitzeugen – und was noch wichtiger ist, einen guten Freund“, betont Hans-Georg Meyer, Ehrenvorsitzender des DIF.
Hanns, später Harold Neumann, wurde am 17. März 1921 in Mainz als Sohn von Otto Eduard und Lilli Neumann geboren. Der Vater war ein angesehener Rechtsanwalt und in den 1920er Jahren einer der fünf Verteidiger beim sogenannten „Thyssen-Prozess“ in Mainz vor dem französischen Kriegsgericht. Die Familie wohnte in der Ober-Ingelheimer Altegasse, bevor sie nach Mainz zog. Nachdem sich die Situation für die jüdischen Bürger in Deutschland immer mehr zuspitzte, floh Harold Neumann als 18-Jähriger mit seinen Eltern in die USA, wo sich die Familie eine neue Existenz aufbaute.
Der Vater gründete in Howell/New Jersey eine Geflügelfarm, die Harold später gemeinsam mit seiner Ehefrau Ruth bewirtschaftete. Mit 38 Jahren entschied sich Harold Neumann, noch einmal die Schulbank zu drücken und Fremdsprachen zu studieren.
Frühere Heimat Ingelheim war stets Thema
Im September 1998 besuchten Harold und Ruth Neumann im Rahmen der Begegnungswoche mit aus Ingelheim stammenden Juden erstmals die frühere Heimat der Familie. Eine Begegnung, die für Harold Neumann prägend war. „Wir sprechen noch täglich davon, nicht nur im Kreis der Familie, sondern auch mit unseren Freunden, die sich alle enorm dafür interessieren“, schrieb der damals schon weit über 70-Jährige später an Hans-Georg Meyer.
2008 reisten Harold und Ruth Neumann im Rahmen der zweiten Begegnungswoche abermals nach Ingelheim, nun begleitet von Sohn Ronald und dessen Ehefrau Jane. Die Gäste wurden von Ingelheimer Schülerinnen und Schülern zu den Gräbern ihrer Vorfahren auf dem jüdischen Friedhof geführt. Außerdem besuchte die Familie eine Ausstellung über jüdisches Leben in Ingelheim und nahm an der Verlegung von Stolpersteinen für ehemalige Ingelheimer Juden teil, darunter auch Mitglieder der Familie Neumann.
Harold Neumann blieb seiner rheinhessischen Heimat bis ins hohe Alter verbunden. Er war stets um Aussöhnung bemüht, wobei ihm am Austausch mit jungen Menschen besonders gelegen war. Nach dem Tod seines Cousins Hans (Harry) Neumann, der im Dezember 2012 ebenfalls in den USA verstorben war, ist mit Harold Neumann nun die letzte Quelle versiegt, die von der jüdischen Familiengeschichte in Ingelheim aus erster Hand berichten konnte.