„Trauer mit mir“: Dekanat Ingelheim-Oppenheim bei Aktion dabei
Die evangelischen Gemeinden wollen deutlich machen, dass Trauer Zeit und kompetente Begleitung braucht. In Gottesdiensten, Konzerten und Vorträgen wird das Thema aufgegriffen.
INGELHEIM/OPPENHEIM - Eine Frau trägt Schwarz. Ein ganzes Jahr lang nach dem Verlust des geliebten Partners, vielleicht länger. Ein Bild, das heute selten geworden ist. „Viele haben es gehasst“, sagt Dekan Olliver Zobel, „aber es war auch ein Zeichen: Da ist jemand in Trauer, reagiert deshalb vielleicht anders als sonst.“ Solche Traditionen funktionieren heute vielfach nicht mehr. „Die Gesellschaft schiebt Tod und Trauer an die Seite. Menschen können oder wollen sich nicht mehr die Zeit nehmen, die sie dafür brauchen. Da steht dann die Urne des Verstorbenen schon mal länger da, bis ein Termin für die Beerdigung gefunden ist. Dabei könne es heilsam sein, den Prozess der Trauer bewusst zu durchleben. Genau hier setzt die aktuelle Kampagne „Trauer mit mir“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an (wir berichteten). Das Dekanat Ingelheim-Oppenheim beteiligt sich mit fast 100 Veranstaltungen.
Christen hoffen auf ein Leben nach dem Tod
Die Begleitung von Menschen in Trauer sei – wie die Kasualien überhaupt – seit jeher eine zentrale Aufgabe der Kirche. Eine, für die sich viele seiner Kollegen sehr engagieren, wie Zobel als Dekan weiß. Eine, die alles andere als lästig ist: „Weil wir die Hoffnung haben, dass das Leben nicht mit dem Tod zu Ende ist.“ Damit hätten die Christen eine Botschaft, die „relativ einmalig“ ist, sagt Olliver Zobel und hält dabei wenig von Vertröstungen: „Der Tod bleibt, um mit Luther zu sprechen, ein ,grausamer Gesell‘. Deshalb sind wir für Menschen in Trauer da, verstehen sie. Aber dann feiern wir auch die Hoffnung auf die Auferstehung.“
Zobel spricht, wenn er den letzten Sonntag des Kirchenjahres meint, nie vom Totensonntag, sondern immer vom Ewigkeitssonntag. Dieser ist auch das Ziel der Kampagne, die im Dekanat am 25. Oktober beginnt und eben an jenem Sonntag, 24. November, endet. An diesem Tag sind die Kirchen voller als sonst. Menschen aus den Kerngemeinden feiern mit jenen Gottesdienst, die im zurückliegenden Jahr einen lieben Menschen verloren haben, und mit anderen, die das Thema Tod und Trauer beruflich beschäftigt. „Das wollen wir weiter verstärken, noch mehr Menschen erreichen“, sagt Dekan Zobel. Ein zweiter Aspekt: Die Kampagne will zeigen, dass die Kirche Teil eines großen Netzwerks von Partnern ist, die Unterstützung anbieten. Dazu gehören diakonische Einrichtungen, Hospize, Trauervereine. Zobel selbst gestaltet mit dem Verein Trauernde Eltern und Kinder Mainz einen abend an der IGS Ingelheim, um zu besprechen, was in der Schule wichtig ist, wenn in einer Klasse ein Kind um einen Elternteil oder ein Geschwisterkind trauert. Und schließlich will das Dekanat die gesellschaftliche Bedeutung des „Trauermonats“ November wieder neu hervorheben und damit viele Menschen gewinnen. Dabei haben die Verantwortlichen alles gebündelt, was ohnehin angeboten wird, und dies so ergänzt, dass an die 100 Veranstaltungen zusammengekommen sind. Friedhofsführungen, Wanderungen, geistliche Impulse, Konzerte, Gottesdienste.
TERMINE
25. Oktober, Mainz, 9.30 Uhr: Ausflug zum ersten rheinland-pfälzischen Trauerort im Pfarrgarten der Kirche St. Ignaz in Mainz und zur Kirche St. Johannis mit der Grabungsbaustelle. Info und Anmeldung: Gemeindepädagogin Barbara Clancy, Telefon: 06136-92696-26, E-Mail: barbara.clancy@ekhn.de
27. Oktober, Oppenheim, 18 Uhr: „Klagen. Loben. Hoffen“. Chorkonzert in der Katharinenkirche mit Werken von Bach, Mendelssohn, Brahms und Schönberg. Tickets: www.katharinen-kirche.de
10. November, Oppenheim, 14 bis 16.30 Uhr: „Mit der Trauer unterwegs sein – in Bewegung kommen“. Dekanat Ingelheim-Oppenheim und Ökumenischer Hospizverein Rhein-Selz laden zu einer Trauerwanderung von Oppenheim nach Nierstein ein. Startpunkt ist um 14 Uhr der Friedhof Oppenheim. Anmeldung: Pfarrerin Esther Gröschel, Telefon 06733-9 47 61 81, E-Mail: kirchengemeinde.dolgesheim@ekhn.de
21. November, Jugenheim, 19 Uhr: Sterben, Tod und Trauer – Antworten und Hilfe aus der Praxis. Ein Abend zur Information und zum Austausch im Gemeindehaus Jugenheim, Hintergasse 19
23. November, Stadecken-Elsheim, 18 Uhr: „In Paradisum“. Musikalische Abendvesper in der Elsheimer Paulskirche mit dem Requiem Op. 48 von Gabriel Fauré. Leitung: Britta Jobst
Die Kasualien wie Taufe, Konfirmation, Trauung oder Beerdigung sind so etwas wie das Kerngeschäft der Kirche, die Menschen durch das Leben begleiten will. Doch die Zahl derer, die sich gerade bei einer Beerdigung für einen freien Redner entscheiden, steigt. Auch unter Kirchenmitgliedern. Was Dekan Olliver Zobel keinesfalls als Kritik verstanden wissen will, was ihn aber dennoch mit Sorge erfüllt und Fragen aufwirft: „Haben wir Pfarrer nicht genug Zeit für die Menschen? Überfordern wir jene, die an der Auferstehung zweifeln? Trauen uns die Menschen nicht mehr zu, dass wir auch anders können?“ Hier wolle die Aktion „Trauer mit mir“ zeigen: „Kirche ist anders, als ihr vielleicht denkt!“ Und sie ist nach Zobels Auffassung mehr als der zugegebenermaßen kriselnde Sonntagsgottesdienst. „Menschen brauchen einen Anlass, einen Anstoß, um in die Kirche zu gehen.“ Auch deshalb hofft er am meisten darauf, „dass wir die Kirchen am Ewigkeitssonntag noch voller als sonst bekommen“. Menschen aus der Vereinzelung holen. Ihnen zeigen, dass andere ebenfalls trauern, sie zusammenführen, damit Neues wachsen kann. Auch das ein Ziel der Aktion. Die Trauerkarte der Landeskirche übrigens, sie ist eine Doppelkarte – für Trauernde und Tröstende.