Sonntag,
08.05.2016 - 00:00
3 min
Steiniger Weg einer Fußballpionierin
Von Beate Schwenk
INGELHEIM - Dass Frauen im Verein Fußball spielen, ist längst nichts Besonderes mehr. Unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sind mittlerweile über eine Million Mädchen und Frauen aktiv. Doch das war nicht immer so. Bis ins Jahr 1970 war Frauenfußball sogar verboten. Der DFB hatte dies 1955 verfügt, weil er die Weiblichkeit in Gefahr sah. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“, begründeten die Funktionäre damals ihre Entscheidung.
Eine junge Ingelheimerin kümmerte das aber nicht. Bärbel Wohlleben wollte sich den Spaß am Fußball nicht nehmen lassen. Wie sie in den 1950er Jahren zum Fußball kam, welche Hürden sie zu nehmen hatte und wie sich der Frauenfußball seither entwickelt hat, davon erzählte die 72-Jährige im Mehrgenerationenhaus. Im Erzählcafé schlug sie den Bogen von den mühsamen Anfängen des Frauenfußballs bis hin zu den Erfolgen der Gegenwart.
Als Kind im Hof gekickt
Bärbel Wohlleben selbst stammte aus einer sportbegeisterten Ingelheimer Familie. Schon als kleines Mädchen kickte sie mit ihren Brüdern im Hof. 1954 wurde sie durch den WM-Titel der Männer in Bern angesteckt. „Ich wollte auch im Verein spielen“, erinnerte sich Wohlleben im Erzählcafé. So begleitete sie ihren Bruder zur Spielvereinigung, wo sie zunächst mit Sondergenehmigung bei den Buben mitkicken durfte. Mit 14 war das vorbei. „Ich war zu alt“, erklärte Wohlleben – und so wechselte sie zum Handball. Die Leidenschaft für den Fußballsport behielt sie jedoch im Hinterkopf, bis sie 1964 auf den Verein „Vorwärts Frankfurt“ aufmerksam wurde, in dem Frauen ungeachtet des Verbots dem runden Leder nachjagten. Es war eine Art Grauzone, in der sich die Spielerinnen damals bewegten. Nicht viel anders als bei der TuS Wörrstadt, wohin Wohlleben 1969 wechselte.
Dann endlich war es soweit: 1970 fiel das Verbot – und die Entwicklung des Frauenfußballs war nicht mehr aufzuhalten. Wenngleich die Pionierinnen zunächst mit allerlei Widrigkeiten und Vorurteilen zu kämpfen hatten. Seien es obszöne Bemerkungen von Zuschauern oder spöttische Kommentare von Sportreportern.
Auch in den Vereinen herrschte eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Anders als die männlichen Kollegen mussten Spielerinnen sogar in Spitzenvereinen ihre Trikots selbst kaufen und Fahrten zum Training oder Spiel aus der eigenen Tasche zahlen. Diese Ungleichbehandlung nahm Bärbel Wohlleben als Spielerin wie als Trainerin mehrmals zum Anlass, den Verein zu wechseln. Zuletzt 2011, als sie von der Spielvereinigung zum „1. FFC Rheinhessen Ingelheim“ ging. Bei dem 2011 gegründeten Frauenfußballclub ist die 72-Jährige seither als Trainerin im Nachwuchsbereich tätig.
Tor des Monats
Nicht fehlen durfte im Erzählcafé natürlich eine Szene, auf die Bärbel Wohlleben auch nach mehr als 40 Jahren noch immer angesprochen wird. Ihr Tor des Monats, das sie 1974 im Finale um die erste Deutsche Frauenfußballmeisterschaft für die siegreiche TuS Wörrstadt schoss. Keine große Sache, wenn man die Fußball-Pionierin darüber reden hört. Es sei eher Zufall gewesen, wiegelte sie ab. „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und das Fernsehen war dabei.“ So banal also kann es sein, wenn ein Tor des Monats fällt.