„Leser helfen“ bringt 25 000 Euro für Ingelheimer Tafel
Das Ziel ist erreicht: Das zweite Kühlfahrzeug kann finanziert werden. Warum das tolle Spendenergebnis bei den Empfängern besondere Freude auslöst.
Von Beate Schwenk und Christine Bausch
Die Tafel versorgt 35 bis 40 Kunden regelmäßig mit Lebensmitteln. Jetzt kann das Sortiment erweitert werden.
(Archivfoto: Thomas Schmidt)
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INGELHEIM/HEIDESHEIM - Der kleine Kühltransporter kann anrollen: Bei der Spendenaktion „Leser helfen“ kamen diesmal 25 000 Euro zusammen. Damit ist das Fahrzeug finanziert und kann voraussichtlich ab Sommer genutzt werden. „Das überrascht mich total“, sagte Tafel-Chef Ralf Blümlein am Freitag, als er die gute Nachricht erfuhr. Gerade am Morgen habe er mit dem Team noch überlegt, wie viel zusammengekommen sein könnte. Doch dass die Leser in diesen schwierigen Zeiten sogar noch mehr gegeben haben als sonst, übertrifft die Erwartungen bei Weitem.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Durch die Spendenaktion ist die Ingelheimer Tafel mit ihrer Ausgabe in Heidesheim auch bekannter geworden. Inzwischen kommen 35 bis 40 Kunden regelmäßig, bei jeder Ausgabe – ob in Bingen, Sprendlingen oder Heidesheim – kommen neue hinzu. Sie alle werden künftig von einem breiteren Angebot profitieren. Mehrere Tafeln haben zusammen eine Halle in Wiesbaden gemietet. Hier kann sich künftig auch das Heidesheimer Tafelteam, zu dem auch Monika Wagner, Nicole Schaumburg und Heinz Gräff gehören, bedienen. Auch ganz gezielt mit Tiefkühlprodukten, die dank eines von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Heidesheim zur Verfügung gestellten Kühlschranks nun auch gelagert werden können. Außerdem können bei den Discountern jetzt auch Milchprodukte eingeladen werden. Blümlein will jetzt direkt Angebote einholen. Bis der Ford-Transporter zum Kühllaster umgebaut ist, dürfte es etwa sechs Monate dauern.
„Wir sind sehr froh, dass wir das Angebot in Heidesheim haben“, sagt Dieter Diehl, erster stellvertretender Vorsitzender des Awo-Ortsvereins Heidesheim. Seit August hat die Ingelheimer Tafel ihre Lebensmittelausgabe in das Gebäude der Arbeiterwohlfahrt erlegt. Schon länger hatte die Tafel nach einem neuen Standort gesucht, 2020 kam es endlich zum ersehnten Standortwechsel. Dies auch dank des Einsatzes von Silvia Klengel, die jeden Freitag bei der Ausgabe in der Binger Straße mit anpackt. „Es war mir ein großes Anliegen, dass wir in Heidesheim eine Tafel haben“, betont die Ortsvorsteherin, während sie für eine ältere Dame Lebensmittel in die Tüte packt. In Ingelheim gebe es mehrere Organisationen, die Lebensmittel an Bedürftige verteilten, sagt Klengel. In Heidesheim aber habe eine solche Anlaufstelle bis dato gefehlt.
Die Tafel versorgt 35 bis 40 Kunden regelmäßig mit Lebensmitteln. Jetzt kann das Sortiment erweitert werden. Archivfoto: Thomas Schmidt
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Als die AWO gefragt wurde, ob man sich eine Kooperation vorstellen könnte, war diese sogleich offen. „Wir mussten nicht lange überlegen“, bestätigt Dieter Diehl. „Es hat einfach alles gepasst.“ Das gilt für die Logistik genauso wie für den inhaltlichen Aspekt. „Die Arbeiterwohlfahrt wurde 1919 gegründet, um Familien zu unterstützen“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende. Solidarität und Gerechtigkeit seien hierbei wichtige Eckpfeiler. Und so stand für den Heidesheimer Ortsverein schnell fest, dass man der Tafel gerne ein Dach über dem Kopf gewähren will. „Wir haben hier eine sehr gute Infrastruktur“, bemerkt Dieter Diehl. Das beginnt mit dem großen Veranstaltungsraum, der normalerweise für Awo-Treff, Awo-Thek oder das Café Mittendrin genutzt wird. Zudem gibt es eine Küche mit Kühlmöglichkeiten, ein Büro, in dem schnell mal etwas kopiert werden kann, und Sanitäranlagen mit Behinderten-WC.
„Außerdem machen wir Werbung für die Tafel“, erzählt Dieter Diehl, der viele ältere Heidesheimer kennt, die mit kleinem Budget über die Runden kommen müssen. Doch längst nicht alle, die berechtigt wären, kommen auch zur Tafel. „Für viele ist die Hürde sehr hoch“, weiß Diehl. „Es gibt viel versteckte Armut.“ Umso wichtiger ist ihm, das Angebot bekannt zu machen und die Hemmungen zu nehmen. Kein einfaches Unterfangen in Zeiten wie diesen, in denen Kontakte auf ein Minimum reduziert sind. Weil die Treffs seit Monaten nicht stattfinden können, konzentriert sich der AWO-Ortsverein auf Alternativen wie eben die Unterstützung der Tafel oder neuerdings einen Fahrdienst zum Impfzentrum nach Ingelheim. Menschen über 80 Jahre und solche mit Mobilitätseinschränkung können Einzelfahrten im AWO-Busje buchen. Zum Nulltarif, wie Dieter Diehl betont.
Im AWO-Domizil selbst liegt im Moment also fast alles im Winterschlaf. „Wir öffnen momentan nur die Tafel“, sagt Diehl – wohl wissend, dass die anderen Angebote schmerzlich vermisst werden. Diehl erinnert sich, dass der Raum eigentlich immer voll war, wenn die AWO zu ihren Treffs einlud. Stammkunden nutzten die Möglichkeit zum gemeinsamen Plausch in der Begegnungsstätte. „Das fehlt natürlich“, weiß der stellvertretende AWO-Vorsitzende und hofft, dass die beliebten Veranstaltungen bald wieder auf dem Terminplan des Heidesheimer Ortsvereins stehen werden.