Der Stadtrat beschließt die Aufnahme aus Seenot geretteter Flüchtlinge zusätzlich zur Verteilungsquote.
Von Beate Schwenk
Die „Seebrücke“ fordert Städte dazu auf, sich zum „Sicheren Hafen“ erklären zu lassen. Diese leisten einen Beitrag zur Rettung geflüchteter Menschen im Mittelmeer.
(Archivfoto: dpa)
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INGELHEIM - CDU, Bündnis 90/Grüne und FWG/BLH bilden im Stadtrat eine Kooperation. Das wurde Anfang August publik gemacht. Keine förmliche Koalition, sondern eine Zusammenarbeit, die den einzelnen Fraktionen mehr Freiheiten lässt. Wie das in der Praxis aussieht, davon konnten sich die Besucher der Stadtratssitzung am Montag ein Bild machen. Erste Nagelprobe war ein gemeinschaftlicher Antrag von SPD und Ratsmitglied Rolf Henrich (Die Linke), der gegen die Stimmen der CDU, aber mit Unterstützung von Grünen und FWG/BLH beschlossen wurde. Der Antrag zielte darauf ab, dass sich Ingelheim – wie etliche andere Kommunen – mit den Zielen der „Seebrücke“ solidarisch erklärt und zum „Sicheren Hafen“ wird.
„Was im Mittelmeer passiert, ist eine menschliche Katastrophe“, lautete die Begründung von Dominik Brill (SPD). Ingelheim solle sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung positionieren und an einer menschenrechtskonformen europäischen Migrationspolitik mitwirken. Zudem solle die Stadt zusätzlich zur Verteilungsquote aus Seenot gerettete Menschen aufnehmen. Sowohl die Grünen als auch FWG/BLH stimmten dem Antrag zu, während die CDU lieber eine Resolution auf den Weg bringen wollte. „Auf lokaler Ebene ist das nicht zu lösen“, meinte Hans-Cristian Fröhlich (CDU). Skepsis auch bei der FDP, deren Sprecher Michael Julius Schwarz gar an der Rechtmäßigkeit des Antrags zweifelte. Es sei Sache der EU, eine gemeinsame Lösung zu finden, meinte Schwarz.
Gegen den Antrag seiner eigenen Fraktion stimmte SPD-Ratsmitglied Martin Weidmann. Die „vielen schrecklichen Taten“ der vergangenen Jahre zeigten, dass man die Folgen der Migrationspolitik falsch eingeschätzt habe. Man solle eher ein Zeichen gegen illegale Einwanderung über den Seeweg setzen. Das rief nicht nur den Widerspruch von OB Ralf Claus hervor, auch Norbert Külzer distanzierte sich. „Wir erklären uns solidarisch, weil wir dafür sind, dass Leben gerettet wird“, betonte der SPD-Fraktionssprecher. „Wir müssen deutlich machen, dass Seenotretter keine Kriminellen sind.“
AUS DEM STADTRAT
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Hauptamtlicher Beigeordneter gesucht
Auf der Tagesordnung im Rat stand auch die Frage, ob Ingelheim einen weiteren hauptamtlichen Beigeordneten braucht. Ja, meinte die Ratsmehrheit und stimmte für die erforderliche Satzungsänderung, die CDU, Grüne und FWG/BLH beantragt hatten. „Durch die Eingemeindung sind die Aufgaben der Verwaltung gestiegen“, begründete Sascha Lackinger (CDU) den Antrag. Die beiden ehrenamtlichen Beigeordneten sollten durch einen hauptamtlichen ersetzt werden. Zudem schlage man zwei ehrenamtliche Beigeordnete ohne Geschäftsbereich vor. Zustimmung kam von der SPD. „Wir erkennen ebenfalls den Aufgabenzuwachs durch die Vergrößerung unserer Stadt“, betonte Norbert Külzer, nicht ohne Seitenhieb auf das Zustandekommen des Antrags, den die kooperierenden Fraktionen gewissermaßen an der SPD vorbei eingebracht hatten. Rolf Henrich stimmte gegen den Antrag, die FDP enthielt sich. Die Stelle eines hauptamtlichen Beigeordneten soll nun ausgeschrieben werden. Außerdem will der Oberbürgermeister einen Vorschlag über die künftige Dezernatsverteilung machen.
Intensiv diskutiert wurde über den Antrag der SPD auf Mitgliedschaft im Verein „Ingelheimer Bündnis gegen Rassismus und Gewalt“. Die Stadt sollte den Kampf gegen Rechtsextremismus durch eine Mitgliedschaft unterstützen, forderte Roland Schäfer. Die Verdienste des Vereins wurden zwar von allen Rednern gewürdigt, Bedenken gab es indes in einigen Fraktionen gegen einen Beitritt wegen des staatlichen Neutralitätsgebots. Auf Antrag der Grünen kam es zunächst zu einer Sitzungsunterbrechung, die aber auch keine Klarheit brachte. Und so wurde das Thema zur weiteren Beratung in den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen, wo auch die Rechtmäßigkeit einer Mitgliedschaft geklärt werden soll.