Ingelheim: Platz vor der Mediathek nach Renate Wertheim benannt.
Von Gerhard Wieseotte
Kate (vorn) und ihre Freundin Lotta sind begeistert von den roten Tulpen-Sitzen. Foto: Thomas Schmidt
( Foto: Thomas Schmidt)
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INGELHEIM - Wer war Renate Wertheim? Ein kleines Mädchen, am 20. März 1935 in der Heimesgasse 6 in Ober-Ingelheim geboren, das aus Sicht der nationalsozialistischen Machthaber einen Makel hatte: Sie, ihre Geschwister, Eltern und Großeltern waren Juden. Klaus Dürsch, der Vorsitzende des Deutsch-Israelischen Freundeskreises (DIF), rief aus Anlass der Einweihung des Renate-Wertheim-Platzes vor der Mediathek jetzt noch einmal ihre kurze Lebensgeschichte in Erinnerung. Renate war das dritte Kind der Eheleute Josef und Anna Wertheim. Der Vater stammte aus Lampertheim, die Mutter wurde bereits in der Heimesgasse geboren: Eine alte Ingelheimerin also. „Sicher ist Renate behütet aufgewachsen“, sagte Dürsch. Aber spätestens die Pogromnacht 1938 zerstörte ihre beschützte Kindheit. Da holten der Hass und der Rassismus des braunen Mobs sie und ihre Familie ein. Nazischergen, so erinnerte Dürsch, drangen auch in das Haus der Wertheims ein und demolierten die Wohnung. Wie viel bekommt ein kleines Mädchen von solchen Ereignissen mit? Wie viel spürt sie von den Sorgen und Ängsten der Eltern und Großeltern? Wahrscheinlich einiges. Die vorher noch einigermaßen heile Welt der Familie war in höchstem Maße, wie sich später herausstellen sollte, bedroht. Der Vater wurde festgenommen und verbrachte zwei Wochen im Konzentrationslager Buchenwald. Es war eine Warnung: Die Familie sollte wie so viele andere jüdische Familien zur Auswanderung veranlasst werden. Doch die Wertheims waren arm, das kleine Textilgeschäft in der abgelegenen Heimesgasse brachte wohl nicht genug Profit. Die Familie konnte die umgerechnet 40 000 Euro pro Person nicht aufbringen. So verblieb man in Ingelheim, bis zum 20. September 1942. Dann wurden Großmutter Sophie Oppenheimer, Josef, Anna und Renate Wertheim mit 14 weiteren Ingelheimern abgeholt, in die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka deportiert und dort ermordet. „Es ist gut, dass der Platz hier zwischen Schule und Mediathek nach Renate benannt wird. Ihr Schicksal sollte eine Mahnung an uns sein: Dass wir den Rassismus bekämpfen, wo immer uns das möglich ist“, betonte Klaus Dürsch.
Oberbürgermeister Ralf Claus dankte in seiner Rede dem Ingelheimer Bündnis gegen Rassismus und Gewalt (In-RAGE), das den Anstoß für die Benennung des Platzes nach Renate Wertheim gegeben habe. Claus spannte den Bogen von der Nazi-Zeit bis in die Gegenwart: Es sei eine allgemeine Zunahme von Hass, Gewalt und Ausgrenzung in unserem Land zu beobachten: „Dem müssen wir entschieden gegenübertreten.“ Ingelheim, so der OB, sei eine „Stadt der Toleranz und des friedlichen Zusammenlebens im Sinne des Ingelheimer Appells“.
Die berührende Feierstunde umrahmten Rainer Ghitescu und seine „Liedermacher“ mit nachdenklichen, aufrüttelnden Liedern gegen Krieg, Verfolgung und Rassismus sowie die Big- Band des Sebastian-Münster-Gymnasiums unter der Leitung von Gerd Klein.
PREIS
Oberbürgermeister Ralf Claus verkündete, dass Ingelheim den „Germany Award for Excellence 2018“ des „Urban Land Institute“ erhält. Mit dem Preis werde die konsequente Umsetzung des Masterplans von 2010 und damit die städtebauliche Entwicklung der Stadt gewürdigt.
Parallel zur Einweihung des Renate-Wertheim-Platzes wurde auch der Steinbuchturm der Künstlerin Anna Kubach-Wilmsen seiner Bestimmung übergeben. Er steht bereits seit dem 6. Dezember an seinem Platz vor der Mediathek. Die Beigeordnete Irene Hilgert würdigte den Turm als „das Kunstwerk, das der Mediathek eine besondere Note verleiht“. Menschen, so Hilgert, hätten den Wunsch nach schönen Bauwerken, suchten nach dem belebenden Akzent: „Einen solchen Akzent setzt der Steinbuchturm.“