Glück im Unglück: Ratten aus größtem illegalem Tiertransport leben in Ingelheimer Tierheim
Von Nils Salecker
Sportredakteur
Appetit und Bewegungsdrang sind groß. Rumba, Salsa und Cha-Cha (v.l.) geht es einen Monat nach dem Transport blendend. Foto: Schmidt
( Foto: Schmidt )
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INGELHEIM - Cha-Cha, Salsa, Rumba und Merengue tanzen quietschfidel über die Bretter, Stege und Brücken ihres Käfigs im Kleintierhaus des Ingelheimer Tierheims. Die vier Farbratten stammen aus dem Mitte Oktober im bayerischen Amberg gestoppten Tiertransport aus Tschechien. Die schockierende Nachricht hatte die Runde durch die nationalen Gazetten gemacht: Die Polizei kontrollierte an der Autobahn einen Kastenwagen, in dessen Laderaum etwa 7000 Tiere in Kisten zusammengepfercht waren. Es war der größte illegale Tiertransport in der Geschichte der Bundesrepublik.
Darunter Kleintiere wie Kaninchen, Mäuse und Meerschweinchen, aber auch Exoten wie Chamäleons. Viele der Tiere waren in erbärmlichem Zustand, die meisten dehydriert, einige tot. Und weil beide Geschlechter zusammen gepackt waren, waren viele Weibchen schwanger.
Entdeckung ist Glück im Unglück
Für die vier in Ingelheim gelandeten Ratten ist die Entdeckung durch die Polizei mehr als Glück im Unglück. Eigentlich waren sie dazu gedacht, in Belgien verfüttert zu werden. Ihr Schicksal war, als Lebendfutter, beispielsweise für Würgeschlangen zu enden. Jetzt dürfen sie weiterleben. Gerade diese Woche verzichtete der bisherige Besitzer der 7000 Tiere auf seinen Anspruch an ihnen. „Ich finde es okay, dass er jetzt Abstand genommen hat“, kommentiert Tierheim-Leiterin Melanie Weingart. Mit Vorwürfen hält sie sich dagegen zurück. „Das ist ein sehr, sehr schwammiges Thema.“ Denn ob der Besitzer von den Transportbedingungen wusste, ist schwer zu sagen.
ZUHAUSE GESUCHT
Das Tierheim sucht für die vier Ratten Cha-Cha, Salsa, Rumba und Merengue ein neues Zuhause. Beachtet werden sollte, dass Ratten nicht alleine gehalten werden.
Alle zu vermittelnden Tiere sind zu sehen auf der Homepage des Tierhelfer-Vereins www.tierhelfer-ingelheim.de.
Am Sonntag, 3. Dezember, ab 13 Uhr, öffnet das Tierheim, Außenliegend 145, beim Glühgrillen des Vereins seine Pforten für die Öffentlichkeit.
Wichtig bleibt: Den in Ingelheim gelandeten Ratten sind die Strapazen der unwürdigen Fahrt nicht mehr anzumerken. Auch Nachwuchs bekamen die vier Weibchen nicht. Dr. Barabara Blachnik ist begeistert: „Die gefallen mir richtig gut jetzt.“ Die Pressesprecherin des Ingelheimer Tierhelfer-Vereins hat die Ratten schon länger nicht mehr gesehen. „Das ist ein Riesenunterschied zu dem Zeitpunkt, als wir sie bekommen haben.“ Vor allem die kleine Merengue habe anfangs sehr apathisch gewirkt, geradezu unheimlich ruhig. Heute saust sie durch den Käfig.
Die vier wurden von Weingart wieder aufgepäppelt, mit Essen: Spaghetti, Gemüse und Würmern. Und Zuneigung. Merengue beispielsweise durfte es sich eine Zeitlang bei Weingart in der Tasche ihres Pullovers bequem machen.
Nur wenige Tage, nachdem die Polizei den Transporter stoppte, kamen die Ratten in Ingelheim an, zudem eine Maus, die die Tierheim-Mitarbeiter Molly tauften. Für solche Notfälle gibt es ein deutschlandweites Netzwerk. Rasend schnell wird sich unter den Tierheimen verständigt, wer wie viele von welchen Tieren aufnehmen kann. „Eine Art Schneeballsystem“, nennt das Weingart. „Wir haben nur so viele genommen, wie wir behandeln konnten.“ Auch von einem Tiertransport, der im Juli in Troisdorf (Nordrhein-Westfalen) gestoppt worden war, hatten die Ingelheimer drei Hamster aufgenommen, von denen mittlerweile einer vermittelt wurde.
Und weil der Besitzer nun auf seinen Anspruch verzichtet hat, darf das Tierheim nun auch die Ratten an Privatleute vermitteln. Die vier seien sehr zahm, betont Weingart. „Ratten sind mit das beste Kleintier für Kleinkinder“, schildert die Tierheim-Leiterin entgegen des weit verbreiteten weniger guten Images der Nagetiere. „Das sind sehr intelligente Tiere.“ Diese lassen sich gerne anfassen, lieben es, Aufgaben zu bekommen, Futter zu suchen oder klettern zu müssen. „Eine sehr gewinnbringende Beziehung.“