Der Kulturbotschafter Horst Ahles gestaltet eine Führung rund um die bekannte Familie. Viele Örtlichkeiten, darunter zwei Straßen, erinnern an die schillernden Persönlichkeiten.
Von Sigrid Kaselow
Los ging die Führung mit Horst Ahles (Hut) am Sebastian-Münster-Denkmal.
(Foto: Thomas Schmidt)
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INGELHEIM - Wer war diese Familie von Erlanger, deren Spuren in Ingelheim an verschiedenen Stellen zu finden sind? Zwei Straßen erinnern an den Baron und seine Frau Caroline, die Wilhelm-von-Erlanger- und die Carolinenstraße, ebenso der Grillplatz auf der Carolinenhöhe und die Rheinklause zwischen Frei-Weinheim und Heidenfahrt, die der Baron hat bauen lassen. Es gibt das Familiengrab auf dem Nieder-Ingelheimer Friedhof, und wo einst der prunkvolle Wohnsitz der Familie stand, die Villa Carolina, befindet sich heute das Haus St. Martin, Heimstätte für behinderte Kinder.
„Sie hatten eine schöne, aber auch tragische Familiengeschichte“, berichtet der Ingelheimer Kultur- und Weinbotschafter Horst Ahles, der zu einem Rundgang zu den heute noch vorhandenen Spuren der von Erlangers eingeladen hatte. Über 50 Interessenten meldeten sich an, nur etwa die Hälfte durfte – wegen Corona – kommen. „Ich werde später noch eine zweite Führung anbieten“, kündigte Ahles an.
Er trat stilecht auf, mit schwarzem Gehrock, gestreifter Weste und passendem Hut, dem Outfit der vornehmen Herren des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, und führte seine Zuhörer über Belzer- und Wilhelm-von-Erlanger-Straße rund um den heute Kommerzienrat-Boehringer-Anlage genannten Park, wo einst der Wohnsitz von Erlangers stand.
Weshalb sind sie, die eigentlich nur knapp 60 Jahre in Ingelheim, von 1859 bis 1919 lebten, noch so präsent? Die von reichen Frankfurter Bankiers abstammenden Erlangers, die erst kurz zuvor in den erblichen Adelsstand erhoben wurden, waren freigiebige, großzügige Mäzene, die auch die ärmere Bevölkerung nicht vergaßen. „Jeden Herbst spendete von Erlanger den ärmeren Nieder-Ingelheimern einen Güterzug voll mit Kohlen, die Namenslisten der Bedürftigen erhielt er von den beiden Pfarrern. Er und seine Frau beschenkten zu Weihnachten alle Kinder der Gemeinde reichlich“, berichtete Ahles. Erlanger ließ den maroden Turm der Remigiuskirche, auf die er jeden Morgen aus seinem Fenster schaute, für 7200 Goldmark restaurieren, das Ehepaar gehörte zu den Gründern des Historischen Vereins Ingelheim und einer Bibliothek, die von ihnen finanziell großzügig unterstützt wurden. Und sie kauften für ihren herrschaftlichen Wohnsitz Land auf, 49 Grundstücke, von der Binger Straße über die Eisenbahn bis hinunter zum Rhein, für damals rund 55 000 Gulden, das wären heute rund 2,5 Millionen Euro.
„Sie lebten gut, Geld spielte keine Rolle, es war immer genug da“, berichtete Ahles. Eher tragisch verlief das Leben der beiden Söhne, Franz und Carlo. Der ältere verfiel der Spielsucht, verschuldete sich hoch, wurde enterbt, heiratete eine Zirkusreiterin, wurde aber von seiner Mutter finanziell zeitlebens unterstützt. „Ich ließ sie gewähren, es war ja genug Geld da“, soll von Erlanger dazu geäußert haben. Der jüngere Sohn Carlo interessierte sich schon als Kind für Ornithologie, studierte diese Naturwissenschaft, führte Expeditionen nach Afrika durch und wurde zum bekannten Vogelforscher, nach dem auch einige von ihm entdeckten Vogelarten benannt wurden. Mit knapp 32 Jahren verunglückte Carlo 1904 mit dem Auto, für die Eltern ein harter Schlag, über den sie nie ganz hinweg kamen. 1909 starb Wilhelm von Erlanger, seine Frau Caroline 1919, zeitgleich mit ihrem älteren Sohn Franz, der sich das Leben nahm.
Überliefert ist vom Baron, dass er zu seiner eleganten Kleidung mitunter einen alten, schäbigen, zerbeulten Hut trug. Darauf angesprochen, soll er gesagt haben: „Meine Frau schimpft: Wenn du diesen alten Hut trägst, geh ich nicht mit dir aus. Ich möchte heute auch gar nicht ausgehen, und der Hut sagt das wortlos“.