
Jedes fünfte Kind kann nach der Grundschule nicht richtig lesen und rechnen. Was die Bildungsminister von Hessen und Rheinland-Pfalz dagegen tun wollen.
Mainz. Die Bildungsminister von Rheinland-Pfalz und Hessen, Stefanie Hubig (SPD) und Alexander Lorz (CDU), wollen in den Grundschulen der beiden Länder die Stundenzahl für Deutsch und Mathematik anheben. Das haben die beiden Landesminister bei einem „Grundschulgipfel“ angekündigt, zu dem die Zeitungen der VRM eingeladen hatten. Lorz und Hubig greifen damit die zentrale Empfehlung einer Kommission der Kultusministerkonferenz auf, die nach den miserablen Ergebnissen des sogenannten IQB-Bildungstrends ein ganzes Maßnahmenbündel gefordert hat.
„Was nun, Frau Hubig und Herr Lorz?“, lautete der rote Faden des Doppelinterviews. Hintergrund ist, dass in Deutschland bereits jedes fünfte Kind beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule nicht richtig lesen und rechnen kann. Beim Schreiben sind es sogar 30 Prozent nach der von den Kultusministern selbst in Auftrag gegebenen Studie. Hessen und Rheinland-Pfalz bewegen sich in etwa in diesem mangelhaften Durchschnitt.
Mehr Stunden für Hauptfächer
Lorz und Hubig gestanden ein, dass es seit 2011 einen kontinuierlichen Rückgang bei den Leistungen der Grundschüler gegeben habe. „Das treibt uns um“, sagte Lorz. Mit Blick auf die dritte ernüchternde Erhebung dieser Art in elf Jahren und 20 Jahre nach der ersten Pisa-Studie erklärte der hessische Schulminister, dass sich die Ausgangsbedingungen für die Grundschulen zum Teil schneller änderten als die bildungspolitischen Maßnahmen wirken könnten: „Wir haben heute einen viel höheren Anteil an Elternhäusern, die Dinge auf die Schule abladen, die früher zu Hause eingeübt wurden.“
In dem Interview blieben beide Minister allerdings relativ vage, wenn es um die weiteren Empfehlungen der von der Kultusministerkonferenz beauftragten Expertenkommission geht. Stefanie Hubig schloss nicht aus, dass für mehr Stunden zum Rechnen, Schreiben und Lesen üben andere Stunden in Religion, Sport, Sachkunde oder auch „Englisch in der Grundschule“ wegfallen könnten. Für ihren hessischen Kollegen ist auch denkbar, „mit der Stundenzahl noch ein bisschen nach oben“ zu gehen.
Offenbar tun sich die beiden CDU- und SPD-geführten Landesregierungen auch noch mit den Maßnahmen schwer, die die Expertenkommission als verpflichtend empfiehlt. Dazu zählen verpflichtende Sprachtests bei drei- und vierjährigen Kindern, verpflichtende Vorschule für Kinder, die kaum Deutsch sprechen, verpflichtende Lernstandserhebungen für alle Grundschulen und verpflichtende Förderangebote für die Kinder, die unter den Mindestanforderungen bleiben. Während Hubig um mehr Zeit bat – auch weil die Empfehlungen erst vor kurzem gekommen seien – drückte Lorz grundsätzliche Skepsis aus: „Ich bin immer skeptisch bei Zwangselementen, weil Zwang Gegendruck erzeugt. Wir müssen mehr auf Überzeugungsarbeit setzen.“
Auch bei der Frage, um wie stark sich beide Länder bis zur nächsten Grundschulerhebung in vier Jahren verbessern wollen, blieben beide Minister vage: „Unser Ziel ist, dass in fünf Jahren mehr Schülerinnen und Schüler die Mindeststandards erreichen“, sagte Hubig. „Wir wollen den Trend brechen“, ergänzte Lorz.
Die Debatte um die mangelhaften Grundschulergebnisse könnte auch den hessischen Landtagswahlkampf der CDU-geführten Landesregierung belasten. In Hessen wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Vor diesem Hintergrund wird auch die Ankündigung von Alexander Lorz gewertet, das Einstiegsgehalt für Grundschullehrer (A12) schrittweise auf das Einstiegsgehalt der Lehrer an weiterführenden Schulen (A13) anzuheben.