Zeugen sagen bei Prozess zu Giftanschlag an TU Darmstadt aus

Vor dem Landgericht Darmstadt ist am Freitag der Prozess gegen die Angeklagte weitergegangen, die 2021 an der TU einen Giftanschlag verübt hat.

Nur ein Hausmeister erkennt die angeklagte Mainzerin im Prozess zum Giftanschlag an der TU. Andere Zeugen berichten von merkwürdigen Auftritten unbekannter einzelner Personen.

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Darmstadt. Ein merkwürdiger Anruf erreicht die Stabstelle für Arbeitssicherheit an der Technischen Universität Darmstadt. Ein Anrufer vom Campus Lichtwiese fragt, ob er die Polizei rufen dürfe, weil TU-Angehörige des Fachbereichs Materialwissenschaften im Gebäude L2/01 mit Vergiftungserscheinungen aufgefallen seien.

Das war am späten Vormittag des 23. August 2021, wie die Leiterin der TU-Arbeitssicherheit am Freitag im Darmstädter Landgericht aussagte.

Seit Anfang der Woche läuft ein Sicherungsverfahren gegen eine 33 Jahre alte Mainzerin, die Materialwissenschaften studiert hatte. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau vor, dass sie mit einem Chemikalien-Mix Menschen am Fachbereich vergiften wollte, von denen sie sich wegen ihrer Psychose verfolgt fühlte. Die Anklage geht davon aus, dass die Beschuldigte wegen einer paranoiden Schizophrenie in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik unterzubringen ist.

Der Chemikalien-Mix wurde in in Milchtüten, Wassertanks und Honig gefunden, nachdem sieben TU-Angehörige die kontaminierten Lebensmittel beim Kaffee- und Teetrinken geschluckt hatten, aber dann erst merkten, das etwas nicht stimmte.

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Gift wirkt wie K.O.-Tropfem

Ein Mitarbeiter des Fachbereichs Chemie sagte aus, dass er von der Stabsstelle für Arbeitssicherheit gebeten wurde, eine Analyse in seinem Fachbereich zu organisieren. „Aber bei einer Mischung analysiert man ins Blaue hinein“, erklärte er dem Gericht, dass es schwierig sei, Stoffe zu identifizieren, wenn man nicht wisse, worauf man testen müsse. Schließlich habe man Anhaltspunkte für Brom-Anilin und Butandiol gefunden, so der Chemiker. „Und vom Landeskriminalamt kam die Information, dass man ähnliche Substanzen gefunden habe.“ Butandiol wirkt wie K.O.-Tropfen; Brom-Anilin kann Kopfschmerzen, Schwindel, Atemschwierigkeiten und eine Sauerstoff-Unterversorgung des Bluts verursachen.

Es schien eine Art Phantom an dem Fachbereich gegeben zu haben, wenn man einige Zeugenaussagen zusammenfasst, die von merkwürdigen Auftritten unbekannter einzelner Personen im Gebäude L2/01 vor dem Giftanschlag berichteten.

Eine Juniorprofessorin aus Göttingen, die bis September 2021 in Darmstadt war, beschrieb, dass sie einmal eine Person mit Kappe, Mütze und schwarzer Jacke gesehen habe. Als die Zeugin eine Tür zu einer Küche öffnen wollte, soll diese Person die Tür von der anderen Seite zugedrückt haben. „Aber ich konnte nicht erkenne, ob das ein Mann oder eine Frau war“, sagte die Wissenschaftlerin, die die Person als dünn und mit blasser Haut beschrieb. Zwei Merkmale, die auf die Beschuldigte zutreffen würden, wenn sie damals ebenso ausgesehen hat wie jetzt.

Ein Professor schilderte, dass ihm ein paar Monate vor dem 23. August 2021 jemand aufgefallen sei, der in der Tür einer Damentoilette stand. „In dem Moment, in dem ich kam, ging die Tür wieder zu“, beschrieb der Zeuge. Daraufhin habe er einen Moment gewartet und dann eine Frau herauskommen sehen, schilderte der Hochschullehrer.

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Frau trug Maske und Kapuze

Ein Hausmeister sagte aus, dass er vor eineinhalb Jahren eine schlafende Person im Gebäude bemerkt, geweckt und rausgeschickt habe. „Der war relativ klein“, so der Hausmeister, der wegen der dunklen Stimmlage der Person der Meinung war, dass es ein Mann war.

Einem wissenschaftlichen Mitarbeiter war am Freitag vor dem Giftanschlag eine Frau aufgefallen, die ihn anguckte, als er aus einem Labor kam. „Ich glaube, dass diese Person eine Maske und eine Kapuze trug“, sagte er. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Frau ihren Hausstand in einer Tasche dabei hatte.

Diese Zeugen hatten im Gerichtssaal die Beschuldigte aber nicht als die Person wiedererkannt, die ihnen aufgefallen war. Sie gaben an, die Mainzerin nicht zu kennen. „Haben Sie die Beschuldigte schonmal gesehen?“, hatte der Vorsitzende Richter Volker Wagner jedem TU-Angehörigen am Freitag gefragt.

Nur ein Hausmeister konnte sich an die 33-Jährige erinnern. „Ja, das Gesicht kommt mir bekannt vor“, sagte er. Er erkenne die Frau, die nun mit Maske und angezogener Jacke zwischen ihren Verteidigern saß, an ihren Augen und Haaren, bekräftigte der Zeuge seine Aussage auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters. „Ich habe sie auf dem Flur vom Fachgebiet ‚Disperse Feststoffe‘ gesehen“, sagte der Hausmeister. „Das war vor Corona, Ende 2019.“ Aber dem Zeugen war die Beschuldigte damals nicht als merkwürdig aufgefallen.

Der Prozess wird am Dienstag, 15. November, um 9 Uhr fortgesetzt.