Darmstadt: Verurteilter Doppelmörder will seinen Fall neu...

Das Urteil vom Doppelmordprozess in Babenhausen, das Andreas Darsow 2011 eine lebenslange Haftstrafe einbrachte, erscheint dem Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate (links) "zu perfekt". Am Freitag hat er nun, unterstützt vom Verein "Monte Christo" und der Ehefrau des Verurteilten, Anja Darsow (rechts), die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Foto: Karl-Heinz Bärtl
© Karl-Heinz Bärtl

Rund neun Jahre nach einem Doppelmord in Babenhausen will der deswegen verurteilte Andreas Darsow den Fall vor Gericht neu aufrollen lassen. Das Landgericht Darmstadt hatte...

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DARMSTADT. "Die Justiz hat es nicht so gerne, wenn Urteile korrigiert werden, Irrtümer eingestanden werden." Dr. Gerhard Strate, prominenter Strafverteidiger aus Hamburg, ist ein Freund von klaren Worten. Im Doppelmordfall von Babenhausen hat er nach seiner Darstellung vom Freitag allerdings einige Irrtümer und Versäumnisse des Landgerichts Darmstadt entdeckt. Deshalb hat er die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Seine Argumentation dreht sich hauptsächlich um den angeblich benutzten selbstgebauten Schalldämpfer, auf den sich das Indizienurteil, das zur lebenslangen Freiheitsstrafe für Andreas Darsow führte, maßgeblich stützt. Das Urteil nennt Strate "zu perfekt" - und seiner Auffassung nach haben perfekte Urteile "immer einen Hinkefuß".

Laut Urteil wurden die Morde mit einer Pistole P 38 begangen, auf die ein aus Bauschaum und einer PET-Flasche gebastelter Schalldämpfer angebracht gewesen sein soll. Dieser soll nun zehn Schüsse, die auf die Opfer abgegeben worden waren, durchgehalten haben, ohne abzufallen. Am Tatort waren feine Spuren von Bauschaum gefunden worden. So kam die Kripo auf die Idee mit dem selbstgebauten Schalldämpfer. Zudem wurde eine Bauanleitung für einen solchen Schalldämpfer auf einem Computer in dem Betrieb, in dem Andreas Darsow arbeitete, angeschaut. Über die IP-Adresse konnte das zurückverfolgt werden.

Nun, so argumentiert Strate neun Jahre später, seien am Tatort allerdings nur vier kleinste Bruchstücke Bauschaum "im Milligrammbereich" sichergestellt worden. Von weißen Partikeln, die in den Haaren von Petra T. gefunden wurden, stehe nicht fest, ob es auch Bauschaum gewesen sei. Wäre die Familie tatsächlich mit Hilfe eines solchen PET-Schalldämpfer angegriffen worden, müssten aber sehr viel mehr Bauschaum-Partikel gefunden worden sein. Das haben laut Strate Sachverständige bestätigt. Auch Beschusstests des Bundeskriminalamtes kommen zu dem Ergebnis. Zudem, so Strate, sei keinerlei Plastik am Tatort gefunden worden, was im Urteil auch explizit so stehe. Bei Schüssen durch eine PET-Flasche hätten sich aber auch Kunststoffteile lösen müssen.

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Bei der für die Tat verwendeten Munition ergebe sich überdies immer ein Überschallknall, der selbst mit PET/Bauschaum-Dämpfer noch eine Lautstärke von 137 Dezibel habe - so laut wie ein startender Airbus. Deshalb geht Strate davon aus, dass ein solcher Dämpfer nicht verwendet wurde. "Er erfüllt gar nicht seinen Zweck, den Schall zu dämpfen, ein Punkt, der vom Landgericht Darmstadt zu keinem Zeitpunkt gewürdigt wurde", sagt Strate.

Da auch Bauschaum in herkömmlichen Schalldämpfern verwendet werden könne zur zusätzlichen Dämmung, und Strate davon ausgeht, dass ein solcher auch verwendet wurde, spiele auch die Spur über den Arbeitsplatz zur Bauanleitung im Internet keine Rolle.

Auf die Schmauchspuren, die auf der Hose von Andreas Darsow gefunden wurden, geht Strate in seinem Wiederaufnahmeantrag nicht ein. Für ihn reichen die neuen Erkenntnisse, um ihn vielleicht aus dem Gefängnis zu bekommen.