Matthias Jansen, „der schwule Autoverkäufer“ aus Nieder-Olm
Nach einem Bericht über das Autohaus „Sweet Cars“ hat Matthias Jansen aus Nieder-Olm sich sofort beworben. Nun ist er der erste schwule Verkäufer im „Autohaus von Frauen für Frauen“.
Von Torben Schröder
Matthias Jansen, der „Frauenversteher“ bei „Sweet Cars“.
(Foto: hbz/ Michael Bahr)
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NIEDER-OLM/ WOLFSHEIM - Am Tag vor seinem Vorstellungsgespräch wurde Matthias Jansens Ehemann hektisch: „Du siehst nicht schwul genug aus!“ Also ging es ins Kleidungsgeschäft. „Die Verkäuferinnen waren begeistert“, sagt der Wolfsheimer lachend. Ein lachsfarbenes Hemd und eine pink-blaue Fliege später hatte er den Job. Matthias Jansen verkauft jetzt Autos in Nieder-Olm, bei „Sweet Cars“. Untertitel: „Autohaus von Frauen für Frauen.“
Im Dezember las Jansen den Bericht dieser Zeitung über „Sweet Cars“. Darin hatte Chefin Birgit Zucale erzählt, dass sie gern noch einen schwulen Verkäufer hätte: „Ein richtiger Frauenversteher, aber das darf man ja nicht in die Anzeige schreiben.“ Zucale will ein Autohaus führen, in dem Frauen nicht von oben herab behandelt werden. „Frauen lieben schwule Männer“, sagt sie, „seine Art, auf Kundinnen zuzugehen, ist einfach anders.“ Auch Jansen spricht von einer anderen Ebene: „Viele schwule Männer haben eher einen weiblichen Freundeskreis. Da fallen die biologisch-hormonellen Dinge und das Testosteron-Gehabe weg. Ich muss einer Frau nicht imponieren.“
Kein Fokus auf fachlichen Voraussetzungen
„Witzig, frech und freundlich zugleich“ fand er die Artikel-Annonce. Sie traf einen Nerv. Jansen hat Sozialwesen studiert und sechs Jahre als Sozialarbeiter in Kinderheimen gearbeitet. Damit wollte er abschließen, der Frust war zu groß: „Man soll niedrigschwellig arbeiten, steht aber vor lauter Regularien. Behörden, Gesetze, Eltern, Amt, Träger, es ist sehr verwaltungslastig und kostenorientiert.“
Jansen erinnerte sich daran, wie gut es ihm im Peugeot-Autohaus in Mainz-Mombach gefiel, wo er seinen ersten Neuwagen kaufte. Der damalige Verkäufer wurde zum Freund, Jansen schaute immer mal wieder vorbei. Aber er erlebte andernorts auch, was Verkäufer alles falsch machen können. Er spricht von „Baumarkt-Atmosphäre – man kommt rein, alle rennen weg“. Von besserwisserischem Auftreten, von interesseloser Beratung. „Ich sehe mich als sehr kommunikativ und extrovertiert an.“ Da kam die Idee auf zu versuchen, ob er es nicht besser kann. Erste Bewerbungen bei Autohäusern gingen aber ins Leere, die fachliche Voraussetzung fehlt. Bei Zucale war es anders. „Vom Anforderungsprofil her kann ich nur den biologischen Teil erfüllen“, sagt er lachend. Aber man kann sich ja fortbilden.
„Sweet Cars“ setzt auf Unverkrampftheit
Ende Dezember ging die Anfrage raus, Mitte Januar begann das Praktikum, am 1. Februar folgte die Anstellung. Gesucht, gefunden. Technikinteressiert ist Jansen, die erste Weiterbildung im Bereich Verkaufsmanagement hat er bereits hinter sich. „Sweet Cars“ vertreibt EU-Fahrzeuge, 20 Marken. Da kann man ohnehin nicht alles wissen. Statt mit Fachwörtern aufzutrumpfen, um Nachfragen abzubügeln, gibt Jansen lieber offen zu, was er weiß und was nicht. Man kann ja nachfragen, nachlesen. Auch das kommt offenbar an.
Matthias Jansen trägt einen Ehering. Doppelhaushälfte auf dem Land, eingetragene Lebenspartnerschaft, kirchliche Segnung in Mainz-Weisenau. „Wir haben nicht im Dorf gesagt: ‚Hallo, wir sind die Schwulen.‘ Wir sind einfach eingezogen, der Rest hat sich ergeben.“ Er nimmt viel Akzeptanz wahr. „Aber die Gesellschaft ist noch nicht ganz so weit wie der Gesetzgeber.“ Ehe für alle ist das eine, wirkliches, gefühltes Gleichsein etwas anderes. Eine Aussage wie die Zucales ist für ihn ein gutes Zeichen. „Ich finde es toll, dass jemand öffentlich sagt, dass Diversität gewollt ist.“
Die Farbe Pink ist bei „Sweet Cars“ äußerst präsent. Zucale spielt gern mit Klischees, setzt auf Unverkrampftheit. Dazu zählt auch, souverän mit Rollenbildern und Klischees zu hantieren, statt sich zwanghaft von ihnen zu lösen. Jansen fuhr unlängst beim Wolfsheimer Fastnachtsumzug mit, im pinken Mercedes Cabrio des Autohauses, im Flamingo-Kostüm. „Den Damen am Straßenrand hat es besonders gut gefallen“, berichtet Zucale. Seitdem ist Jansen im Dorf nur noch „der schwule Autoverkäufer“.