Sprendlinger Pfarrer blickt zrück auf viele Veränderungen und erwartet auch in Zukunft Umbrüche vor Ort.
Von Bernhard Brühl
Pfarrer Thomas Müller weiß um den Wandel in der Katholischen Kirche. In St. Michael in Sprendlingen verschwand zum Beispiel nach dem Vatikanischen Konzil in den 60er-Jahren der Hochaltar.
(Foto: Thomas Schmidt)
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SPRENDLINGEN - „Introibo ad altare Dei. Ad Deum qui laetificat juventutem meam“ hieß es – und in der letzten Bank saßen die Gläubigen und beteten den Rosenkranz. So begann die katholische Messe vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er-Jahren. „Es gab keinen Volksaltar und keinen Ambo. Der Priester sprach von der Gemeinde abgewandt zum Hochaltar, und natürlich alles auf Latein“, erinnert sich Pfarrer Thomas Müller von der katholischen Pfarrei St. Michael. „Nur die Predigt von der Kanzel wurde auf Deutsch gehalten.“ Sonst hätten die Gläubigen ja überhaupt nichts verstanden.“
Besonders schwierig war es in dieser Zeit für die Messdiener. Keiner hatte in der Schule Latein gelernt. Da konnte es schon einmal passieren, dass bei schwierigen Texten einfach schnell „Januar, Februar, März ...“ gemurmelt wurde. Es hat ohnehin keiner verstanden.
1965 wurde dann der Volksaltar eingeführt, die Gemeinde sollte ganz bewusst mit eingebunden werden, und das Lateinische wurde durch die jeweilige Landessprache ersetzt. In der katholischen Kirche St. Michael musste im Rahmen dieser Erneuerung sogar der Hochaltar dran glauben. Dennoch waren es noch gute Zeiten für die katholische Kirche. Die Kirchen waren voll. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Pfarrer, der natürlich immer im Dienst war. Es gab Frühmesse, Großes Gebet und an Fronleichnam zog die Prozession durch den geschmückten Ort. Man ging mit sechs Jahren zur Ersten Heiligen Kommunion, obwohl man vor der Erstkommunion 24 Stunden nüchtern sein musste, und selbstverständlich kannten die Gläubigen alle zwölf Strophen von „Großer Gott wir loben Dich“ auswendig.
DIE SERIE
Der Sommerserientitel ist doppeldeutig – es gibt zwei Ebenen.
Es sollen Geschichten vom Leben an, in und auf Rhein und Nahe sein.
Es sollen aber auch Geschichten erzählt werden von Menschen, die einen interssanten Wandel mitgemacht haben oder zurzeit einen miterleben, für die sich das Leben eben „im Fluss“ befindet.
Heute betreuen die beiden Pfarrer Thomas Müller und Rüdiger Eckert in der Pfarrgruppe Sprendlingen sechs Gemeinden. Die Pfarrgruppe ist damit in einer sehr komfortablen Lage. Der 63-jährige Thomas Müller, der seit 37 Jahren Priester ist, glaubt, dass sich dies ändern wird. „In Zukunft wird es im Dekanat Bingen nur noch zwei Pfarreien geben. Dies sind dann Verwaltungseinheiten, was nicht bedeutet, dass es in den Gemeinden kein kirchliches Leben mehr gibt. Selbst ein konfessioneller Kindergarten bedeutet kirchliches Leben.“
Stichwort Priestermangel: Müller spricht sich ganz klar für neue Zugänge zum Priesterberuf aus. „Das Pflichtzölibat muss aufgehoben werden, denn ein Priester mit Frau und Kindern ist kein schlechterer Seelsorger. Er ist ein anderer Pfarrer. Deshalb bin ich dafür, das jedem Priester freigestellt wird, ob er heiratet oder zölibatär leben will. Ich bin mir sicher, dass sich beide wertschätzen und gegenseitig helfen können.“ Für die Priester, die sich für das Zölibat entschieden hätten, müsse dies lebbar gestaltet werden. Zum Beispiel in einer „Vita communis“-Gemeinschaft, wie es Thomas Müller und Rüdiger Eckert praktizieren.
Stichwort: jung, katholisch, weiblich. Für Müller sind auch Diakonissen und Priesterinnen vorstellbar. „Das Argument, Jesus habe nur Apostel berufen, überzeugt nicht.“ Als Beispiel erzählt er von Maria Magdalena. Sie habe vom auferstandenen Herrn selbst den Auftrag erhalten, den Aposteln die Frohe Botschaft von der Auferstehung zu bringen und sei so Apostelin der Apostel.
Wahrscheinlich wird sich in der Katholischen Kirche noch mehr ändern. Bei weniger Pfarreien und weniger Priester müssen immer mehr Aufgaben, wie zum Beispiel der Sonntagsgottesdienst, von Laien übernommen werden. „Auch in der Verwaltung einer Pfarrei müssen mehr Laien eingesetzt werden. „Ein Pfarrer ist kein Betriebswirt oder EDV-Fachmann“, stellt Müller fest. Eine besondere Stellung nehmen dabei die Gemeinde- und Pastoralreferenten ein. Bisher ist es noch so, dass im Gottesdienst diese nur vor der eigentlichen Eucharistiefeier predigen dürfen. Müller, der Dozent für Predigtausbildung, spricht sich auch hier für Veränderung aus. „Wir sollten es Gemeinde- und Pastoralreferenten ermöglichen, im Gottesdienst zu predigen. Männlichen und weiblichen.“
Stichwort: Gemeinsamer Eucharistieempfang von gemischt konfessionellen Ehepaaren. Auch hier bezieht Müller klar Stellung. „Ich werde und darf niemand abweisen, wenn er den Leib des Herrn empfangen will.“ Insgesamt sieht Müller die Katholische Kirche in einer Umbruchphase. „Es wird aber Zeit, dass Entscheidungen getroffen werden. Unsere Kirche war in 2000 Jahren immer im Fluss. Wir brauchen Mut und Vertrauen auf Gott, der seine Kirche führt.“