Jochen Ratzenberger vor der Burg Fürstenberg. Foto: Christine Tscherner
( Foto: Christine Tscherner)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
RHEINDIEBACH - Quer statt längs auf zehn Hektar: Der Hang rund um die Ruine Fürstenberg verändert sichtbar seine Optik. Ein Paukenschlag in der Winzerszene, alles neu, alles auf Anfang. Das VDP-Weingut Ratzenberger aus Bacharach-Steeg geht mutige Schritte, hat nahezu den gesamten Hang im Diebachtal gekauft. Das erste Feld mit Quer- statt Längslinie bestand die Probe mit Starkregen bravourös.
„Ein ziemlicher Wahnsinn“, sagt Jochen Ratzenberger beim Blick auf die Dimension. Den gesamten Hang auf der Sonnenseite will seine Familie innerhalb von drei Jahren mit Terrassen neu anlegen. Ein Paradigmenwechsel. Denn die mühsame Arbeit im Steilhang führte immer häufiger zur Aufgabe.
Eine Steillagen-Allianz mit der Hochschule Geisenheim gibt dem Vorkämpfer aus Steeg Rückendeckung. Denn es geht dem VDP-Präsidenten vom Mittelrhein beileibe nicht um Wachstum für seinen Betrieb. „Wir standen mit unseren 17 Hektar sehr solide da.“ Zwang zum Handeln bestand aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht, sagt er.
FAKTEN
Als Steillagenweinbau bezeichnet man extreme Hanglagen, die keine Bewirtschaftung in Falllinie mit radgetriebenen Traktoren zulassen. Als steilste Weinlagen Europas gelten der Engelsfelsen im Badischen Bühlertal mit 75 Grad und Calmont an der Mosel mit bis zu 68 Grad Neigungswinkel.
Aber die großartigen Lagen im Nachbartal vergammeln sehen? „Mir hat ehrlich das Herz geblutet.“ Und: „Wenn wir jetzt die Hänge nicht neu aufbauen, dann ist es zu spät.“ Er zeigt einen mit Brombeerhecken zugewucherten Weinberg mit kranken Blättern: „So sieht das dann nämlich aus.“
Seit rund zehn Jahren ging Ratzenberger mit Ideen zu einer langfristigen Strategie schwanger, versuchte Allianzen mit anderen Winzern der Mittelrheinregion zu schmieden. 2016 war der gesamte Jahrgang im Diebachtal von einer Rebkrankheit infiziert. „Alle wissen, dass etwas passieren muss, aber keiner nimmt die Hacke in die Hand.“
Als Vorbesitzer Gernot Stelter Verkaufsabsicht für seine Fürstenberg-Lage signalisierte, da tagte das Familiengremium der Ratzenbergers. „Statt mir die irre Idee auszureden, waren sie Feuer und Flamme“, sagt Jochen Ratzenberger. Erhalt der Kulturlandschaft, das ist das Ziel. Verhandlungen begannen und Behördengespräche. Ein Flurbereinigungsverfahren wurde angestoßen, über 50 Landeigentümer mussten überzeugt werden.
Zehn Hektar Steilhang in Terrassen umbauen? Ein Mammut-Plan. Direkt unterhalb der Fürstenberg ließen die Ratzenbergers im vergangenen Jahr von einem Schwarzwälder Spezialunternehmen das erste Feld neu modulieren. Auf den Böschungen zwischen den Jungreben sollen Samen für Magerrasen und Spezialflora aufgehen. Ein paar Sonnenblumen, Wildblumen und -kräuter sprießen bereits. Mehr Biodiversivität in den heißen Hängen ist das Motiv.
Als Schutz vor Sturzbächen haben sich die neuen Terrassen selbst im Rohzustand bereits bewährt. Was für Ratzenberger ein ganz wichtiger Punkt ist: Der Hang muss nach dem Umbau der Wegestruktur besser zu bewirtschaften sein. „Drei Tage im Steilhang arbeiten, ist körperlich einfach viel zu anstrengend.“
Sein Invest beziffert er auf über eine Million Euro. Mehr Personal wird für 27 statt 17 Hektar ebenfalls nötig sein. Mit schmalen Traktoren kann das Weingut-Team auf die Terrassen fahren. Bewirtschaftung wird effizienter. Nachteil: In Falllinie finden locker doppelt so viele Rebpflanzen Platz. Aber Klasse statt Masse ist ohnehin die Devise des Steeger Vorzeigebetriebs. Praxistauglichkeit, darauf ist die Steillagen-Allianz ausgerichtet. „Zum Glück haben wir im Tal die volle Rückendeckung“, weiß Ratzenberger. Die Politik hat erkannt, dass vom Reden allein noch keine Steillage gerettet wurde.
Die neue Optik lässt an Südtirol denken. Kein Wunder, denn in der Weinwelt sind Querstufen kein Novum. In Südtirol, an badischen Hängen und in der Schweiz wird diese Variante seit Jahrhunderten angewandt. Querterrassen bilden einen Schutz gegen Bodenerosion. Hessen hat’s vorgemacht und bereits einige Parzellen im Querformat neu angelegte
Lorcher Lagen wurden zum Exempel. Auch in Münster-Sarmsheim und Dorsheim finden sich die Umbauten. Das Land gibt Fördergeld. Gemeinden profitieren. Denn wegen der starken Neigung sind viele Hänge in Längsrichtung oft nicht rentabel, zu unwegsam. Das führt in Steillagen häufig zur Aufgabe eigentlich toller Rebgebiete. Das Facelifting soll auf Dauer wieder Schwung in den Steillagen-Weinbau bringen.
Die Weinqualität der Querreihen kombiniert die Vorteile des Steilhangs mit denen des Terrassenanbaus, so die Theorie. Für die erste „Quer“-Ernte aus Rheindiebach müssen Weinfans allerdings noch ein paar Jährchen Geduld haben ...