Vorsitzender des Verschönerungsvereins will in Bacharach Nachhaltigkeit aufbauen
Von Jochen Werner
Die darstellende Kunst ist eines der Steckenpferde des Medenscheiders Fritz Stüber. Foto: Jochen Werner
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MEDENSCHEID - „Es geht auch anders!“ Der Ansicht war Fritz Stüber schon immer. Der 65-Jährige aus dem Bacharacher Stadtteil Medenscheid sieht seinen jüngst übernommenen Vorsitz im Verschönerungsverein der Stadt als Auftrag, Nachhaltigkeit aufzubauen. „Mit den Füßen regional, mit dem Kopf global, mit dem Herzen universal“, lautet sein Credo. Damit plädiert er für eine Erweiterung des Begriffs Verschönerung in Zeiten der zunehmenden Verrohung.
Querdenker mit vielfältigen Interessen
Fritz Stüber ist ein „Ahnungsmensch“, ein Querdenker mit vielfältigen Interessen. Mit dem Dienst beim Landeskriminalamt ging das aktive Mitwirken in der Friedensbewegung der 1980er Jahre einher. „Das war mit Sicherheit meine verwildertste Zeit“, blickt er zurück, als er als Demonstrant in Hasselbach Gespräche mit der Polizei führte. Die Konsequenz: Alles lief friedlich ab. Zuvor bereits war er gemeinsam mit Randolf Kauer an Überlegungen beteiligt, dass sich auch am Mittelrhein Öko-Wein herstellen lassen müsse. Kauers heutiges Weingut lässt grüßen. Bei der Polizei initiierte er die Sozialbetreuung und machte eine Ausbildung zum Sozialtherapeuten.
Parallel suchte er nach freien Ausdrucksmöglichkeiten, experimentierte mit Erde, Ruß und Knochenleim, sprang aus dem ökologischen Weinbau in die Welt der darstellenden Künste. „Mein Problem ist immer, dass es intensiv wird, wenn ich mich mit etwas beschäftige“, gibt er zu, ist doch der Himmel weiter entfernt als der Horizont. „Ich habe eine Ahnung und gleichzeitig von dem neuen Thema null Ahnung“, übt sich Stüber in Understatement. Aus dieser Ahnung entwickelt sich bei ihm der rote Faden zu einem immer größeren Knäuel. Alles wird zu einem großen Abenteuer.
Nun also der Bacharacher Verschönerungsverein, der seit seiner Gründung nach dem großen Brand 1873 zahlreiche Ideen kostenneutral für die Stadt verwirklichen konnte: die Rheinanlagen 1903, das Strandbad, das frühere Winzerfest oder den Stadtmauerrundweg. Fritz Stüber begrüßt die geplante Bundesgartenschau (Buga) 2031, warnt aber vor einem „Kulturzentralismus“ mit boomenden Großstädten und einer vernachlässigten Provinz sowie vor touristischen Monokulturen mit überall gleichem Gesicht. Für ihn darf das Welterbetal auf keinen Fall zum „Mittelaltermarkt von morgen“ geplant werden und verkommen.
Stüber weiß, dass Einzelevents zwar nett sind, dem Tal aber kaum Impulse geben, die Nachhaltigkeit schaffen, sondern eher den Museumsfaktor verstärken. „Wir brauchen Substanz!“, fordert er und kommt auf das für Bacharach so wichtige Thema Romantik in Person der Loreley zu sprechen. Bei Clemens Brentano sei die noch eine Tochter der Phantasie gewesen. Bei Heinrich Heine wurde sie dagegen zu einer Traurigkeit, von der wir nicht wissen wollen, was sie bedeutet.
Stüber will den Besucher des Tales und der Stadt wieder in diese Brentano-Phantasie hineinstoßen, nicht in die Larmoyanz des Kerzenscheins, sondern in das Abenteuer, das lautet: Was bedeutet es, Mensch zu sein? „Verschönerung verstehe ich nicht nur im äußerlichen Sinne, sondern als komplexes Thema“, sagt er. Verschönerung bedeute gerade für Bacharach, die Ideen der Frühromantik als zivilisatorisches Projekt in der Moderne weiterzuführen, sie ist als ein Nachdenken über die Verhältnisse in die Zukunft beabsichtigt, hin zu neuen Ideen und ihren Realisierungen.“
Was bedeutet das konkret für Bacharach? Stüber hat ein literarisches Stadtbild geschrieben, das auf Brentano, Heine und Victor Hugo basiert, den „Partisanen der Poesie“, wie er sie gerne nennt. Damit wurde das Stadtbild an vielen Stellen sukzessive verändert, ohne dass es die Kommune einen Cent gekostet hätte. Für ihn ist Bacharach die Kulturstadt an den Ufern der Poesie, arkadisch, wildromantisch, ein großer Seelenfänger. Die kleine Stadt ist ein Ort, an dem man sein i-Phone ausschaltet und mit ganz anderen „Clouds“ in Berührung kommen kann.
Nachdenken über die Verhältnisse, etwa mittels Vorträgen und Symposien. Diese Verhältnisse lebendig in einen Kontext zum Festival „An den Ufern der Poesie“ setzen und damit das Festival in der Region substanziell verankern, das wäre für Stüber ein weiteres großes Anliegen. „Hiermit wären wir ganz nahe am Puls der Zeit, stellt sich doch heute wie damals drängend die Frage, was das Menschsein bedeutet. Es ist die Frage, was ,Verschönerung’ im Zeitalter der Digitalisierung 4.0 heißt.“
Fritz Stüber traut keinem Mythos. Mit „BaKaLoNi – Die romantischen Vier“, einer interkommunalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Tourismus und der Kultur mit Bacharach, Kaub, Lorch und Niederheimbach, legt er ein weiteres Samenkorn. Wie Goethe bei seiner Rheinreise die Schiffer aufforderte, „nicht zu übereilen“, will auch er Bacharach als „Slow City“ sehen, in der es vielleicht einmal heißt: „Das ist nicht Buga, das ist authentisch!“