Tastreliefs von Bacharacher Sehenswürdigkeiten am Rathaus angebracht
Von Jochen Werner
Freuen sich über die auch für Sehbehinderte verständlichen Kunstwerke: Initiatorin Maria Kochskämper, Künstlerin Hendrike Weber (Stralsund) und Werner Schend, Vorsitzender des Landesblinden- und Sehbehindertenverbands Rheinland-Pfalz. Foto: Jochen Werner
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BACHARACH - Das größte Lob kam von Werner Schend vom Landesblinden- und Sehbehindertenverband. „Ich war bei der Einladung richtig baff. Wir wurden im Land noch nie mit einer solchen Situation konfrontiert. Das ist ein Vorbild, wie man vor Ort Integration mit Dingen, die wirklich nachvollziehbar sind, leben kann. Das gibt wirklich ein positives Lebensgefühl.“ Zehn Tastreliefs mit den bedeutendsten Bauwerken der Stadt und gleichermaßen mit herkömmlicher wie mit Brailleschrift versehen, zieren die Außenwand zum großen Saal im Bacharacher Rathaushof, barrierefrei für jedermann zugänglich.
Das laut Stadtchef Karl-Heinz Schleis „kleine Juwel am Rathaus“ ist ein Werk der Stralsunder Künstlerin Hendrike Weber. Innovation und Entstehung gingen allein auf Maria Kochskämper zurück. In einer SWR-Fernsehsendung hatte die Medenscheiderin im Jahr 2005 einen Beitrag zum Thema gesehen, kontaktierte den blinden Visionär Uwe Gill, nahm die Idee mit, an einem zentralen Ort in der Stadt die bedeutendsten Punkte wie etwa Burg Stahleck oder die Ruine Stahlberg, das Alte Haus, die Kirchen St. Peter und St. Nikolaus zu realisieren, um die Stadt ertastbar und damit erlebbar zu machen.
Das große Hindernis bei der Verwirklichung waren zunächst die Kosten. Herkömmliche Bronzeteile hätten mit bis zu 60 000 Euro zu Buche geschlagen, so Maria Kochskämper. Claudia Schwarz, ehemalige Geschäftsführerin des „Romantischen Rhein“ gab dann den entscheidenden Tipp, ebnete den Weg zu Hendrike Weber. Der Stadtratsbeschluss erfolgte im Februar 2016 einstimmig, Weber kam extra nach Bacharach, um sich ein Bild der Bauwerke zu verschaffen, die Rotarier Boppard/St.Goar beteiligten sich finanziell, und den größten Batzen des Geldes schoss die Kreisverwaltung Mainz-Bingen über die Ehrenamtsförderung zu. Andreas Protze oblag es am vergangenen Mittwoch, die neun etwa 30 mal 40 Zentimeter großen Kunstwerke plus das große Bild mit dem Stadtmauerrundweg aus Westerwälder Ton an der Mauer zu befestigen. Alles in allem kostete das Gesamtwerk inklusive der Vorbereitung des Untergrunds und der Befestigung nun 15 802 Euro, 75 Prozent davon kamen vom Kreis.
Maria Kochskämper wusste viele Mitstreiter auf ihrer Seite. Stadtplanerin Anita Broghammer-Conrads von der Wormser GSW hatte laut Kochskämper die Kosten für den Bauantrag übernommen und das Vorhaben mit der Denkmalpflege abgestimmt. Dazu kam die Unterstützung durch die Bacharacher Kleiderkammer, deren Damen für den Förderantrag verantwortlich zeichneten, und die Ladeninhaber Sigrid und Alfons Jost.
Die Künstlerin ist für die Darstellung intensiv in die Bacharacher Baugeschichte eingetaucht, hat sich belesen, viele Fotos gemacht. Eine Herausforderung sei gewesen, das Fachwerk mit dem Ton darzustellen, so Weber, die die Unterschiede in der Bauweise zu ihrer Heimatstadt und der dort vorherrschenden Backsteingotik betonte.
Herausgekommen ist nicht nur für VG-Chef Karl Thorn ein neues touristisches Highlight in einem Thema, „um das wir uns intensiver kümmern müssen“. Es ist die Bestätigung, was sich mit der hartnäckigen Verfolgung von nachhaltigen Zielen durchsetzen lässt und vielen Menschen zu einem besonderen Erlebnis verhelfen wird.