Bacharach steht vor einem Dilemma beim Hochwasserschutz
Auch wenn das Land eine 380 Meter lange Betonwand zahlt, ist ungeklärt, was auf die VG, die Stadt und betroffene Hausbesitzer finanziell zukommt.
Von Jochen Werner
Im Juni 2013 hieß es in Bacharach zum bisher letzten Mal „Land unter“.
(Archivfoto: Jochen Werner)
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BACHARACH - Hochwasserschutz sinnvoll, wenn die Rheinfluten immer wieder in die Orte schwappen und Keller oder sogar Häuser unter Wasser setzen. In Bacharach wird seit Jahrzehnten diskutiert, zuletzt landeten die Pläne allerdings in der Schublade. Vera Hergenröther und Andreas Haas von der SGD Süd sowie Volker Ternes vom Planungsbüro Pecher stellten dem Stadtrat in dessen jüngster Zusammenkunft das vor, was bereits vor zehn Jahren erarbeitet worden war und nach erteiltem Feststellungsbescheid Anfang 2019 wegen einer Klage der Verbandsgemeinde erst einmal ruhen gelassen wurde.
Es ist wie mit der Eier legenden Wollmilchsau: Der Rhein ist nur ein Problem, das die Stadt bei zu viel Wasser trifft. Da ist schließlich noch der Münzbach, der kaum in den Griff zu kriegen ist, sowie vor allem das Berg- und das Grundwasser, das jede Maßnahme zwar nicht unmöglich macht, aber außerordentlich verteuern würde, auch für die Hausbesitzer. Und gerade da liegt die Krux. Was nutzt eine vom Land zu 90 Prozent finanzierte, 2,75 bis 3,5 Meter tief in die Erde gegrabene Spundwand aus Beton, die zwar verhindert, dass Rheinwasser in die Stadt läuft, andererseits aber womöglich genauso undurchdringlich ist für das Wasser, was aus von den Hängen aus der Stadt hinausfließen will, dass das gerade in den betreffenden Zeiten hohe Grundwasser womöglich hinter sich festhält?
„In hochwasserfreien Zeiten wird ein Grundwasseraustausch möglich sein. Nach den Berechnungen ist kein schadhafter Grundwasser-Anstieg zu verzeichnen“, erklärte Haas. Die Ablaufflächen für das Grundwasser seien insgesamt jedoch geringer, alles könne nur in größeren Tiefen stattfinden. Ratsmitglied Thomas Gundlach äußerte die Befürchtung vieler Bewohner der Stadt, dass das Sickerwasser wegen der Mauer nicht mehr abfließen könne. „Was passiert, wenn es hinterher feuchter wird? Ein Umkehren der Situation wäre nach dem Bau der Mauer nicht mehr möglich“, mahnte er.
380 Meter lange Wand aus Stahlbeton
Das Land zahlt also den Beton, insgesamt – Stand heute – gut zwei Millionen Euro. Auch ohne einen Blick auf die Kosten bleiben jedoch viele noch ungelöste Probleme. 380 Meter lang würde die Stahlbetonwand werden, die die Stadt vor dem Rhein schützt. Dort, wo die Stadttore sind, würden im Ernstfall mobile Mittelstützen eingebaut, müssten bis zu einer Gesamt-Stauhöhe von 1,35 Meter jeweils drei Meter lange Dammbalken von oben eingesetzt und verspannt werden. Mit einer Ausnahme: Kritisch ist das Münztor, weil direkt daneben der Bach fließt. Die einzige Alternative an dieser Stelle besteht darin, die Langstraße abzuschließen, am schmalen Durchgang zwischen den Häusern Münze zwei und vier Sandsäcke zu legen.
So weit, so gut. Das aber wäre nicht alles. Die Anschlüsse zum Münzbach hin müssten dicht gemacht, Mauerwerksfugen im Rückstaubereich saniert werden. Die Abwasserkanäle aus der Stadt heraus müssten sämtlichst mit Schiebern versehen werden, auch bei den Trinkwasserkanälen würden Investitionen notwendig. Der Münzbach müsste oberhalb des bebauten Bereiches mit einem Geröllfang versehen werden. Alles in allem bedeutete das: Mehr als eine Million Euro zusätzlicher Kosten, die die Verbandsgemeinde tragen müsste, rund 75 000 Euro, die auf RheinHunsrück-Wasser zukämen, nicht zu nennende Summen für die betroffenen Hausbesitzer bei Sickergruben und offenen Rohreinmündungen sowie ein kommunaler Anteil in mittlerer sechsstelliger Höhe. Das alles ohne die Gewissheit, dass sich die Situation danach bessert. „Es gibt außerdem noch viele Querungen unter der B 9, von denen niemand genau weiß, wie weit diese in die Stadt führen“, gab Sitzungsleiter Gunter Pilger zusätzlich zu bedenken. Ein Einsatz von Pumpen und Schöpfwerken steht laut den Experten den Kosten-Nutzen-Rechnungen des Landes entgegen. Demzufolge nämlich muss das mögliche Schadenspotenzial größer sein als die vorzunehmenden Investitionen.
Die Stadt wird sich in den kommenden Monaten Gedanken machen, wie sie mit der Frage umgeht. Die enormen finanziellen Belastungen für alle Beteiligten ohne die Gewissheit, damit das Problem tatsächlich zu lösen, ließ im Rat bereits eine Tendenz erkennen.