Obstbauer wehrt sich gegen Vorschriften im Naturschutzgebiet
Der Gau-Algesheimer Obstbauer Christoph Orlob kennt die Vorschriften in dem Naturschutzgebiet, doch er hält sie bewusst nicht ein. Was dahintersteckt und wie der Kreis reagiert.
Von Christine Tscherner
Ein Bild von dem Plakat auf dem Laurenziberg, mit dem Christoph Orlob sich rechtfertigt, ging im Internet viral.
(Foto: Susanne Caspary)
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GAU-ALGESHEIM/BINGEN - Vogelschutz kontra Schattenmorelle: Am Laurenziberg spitzt sich ein Kirschbaum-Streit weiter zu. Ein Landwirt soll 240 illegal gepflanzte Obstbäume entfernen. Statt kleinlaut das Feld zu räumen, hat er am Wanderweg ein Schild aufgestellt. Fast lyrisch fordert er Unterstützung ein. Die Kreisverwaltung reagiert genervt, aber professionell.
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Das Plateau zwischen Dromersheim, Gau-Algesheim und Ober-Hilbersheim gilt Naturschützern als besonders schützenswert. Was für Laien wie langweilige Äcker aussieht, hat seit 13 Jahren das Siegel als europäisches Vogelschutzgebiet. „Offene Felder sind der Knackpunkt für den Vogelzug“, erklärt Nabu-Vorsitzender Bardo Petry.
Am Rande, aber doch innerhalb des Schutzgebiets auf Binger Terrain, hat Bauer Christoph Orlob seit 2019 Schattenmorellen gepflanzt. 240 Stück in geraden Reihen. „Ich dachte, am Waldrand spricht doch nichts gegen Obstbäume“, sagt der Gau-Algesheimer. Falsch gedacht.
Bei den Schattenmorellen war wohl der Geduldsfaden der Naturschutz-Behörde nach Debatten um Orlobs Apfel- und Birnbaum-Pflanzungen endgültig gerissen. Kirschbäume umpflanzen! Klare Ansage an den Zehn-Hektar-Betrieb. Begründung: Zwischen der nordischen Tundra und den afrikanischen Überwinterungsgebieten verläuft die Haupt-Vogelzugroute just über dem Rheinhessenplateau. Internationaler Vogelzug hat im Schutzgebiet Vorrang. Bäume stören auf der „steppenartigen Landschaft“, so das Büro von Landrätin Dorothea Schäfer (CDU).
Bauer macht mobil gegen Bürokratie
Für Arten wie die Kornweihe oder den Goldregenpfeifer sei das Gelände das „wichtigste Rastgebiet in Rheinland-Pfalz“. Pressesprecher Bardo Faust unterstreicht: Den betroffenen Grundstückseigentümern sei die Freihalte-Regel bekannt.
Die Naturschutzbehörde des Kreises hatte mit dem Obstbauern zunächst einvernehmlich geklärt, dass die Schattenmorellen wieder entfernt – nicht gefällt – werden müssten. Das Zeitfenster ist bis zum Jahresende terminiert. „Rechts und links der Bäume hat die Vogelweihe massig Felder zum Landen“, sagt der Bauer. Auch habe er sieben Meter breite Streifen zwischen den Reihen gelassen und verzichte gänzlich auf Netze gegen Vogelfraß oder zum Hagelschutz. „Eine Frühjahrsspritzung und eine zweite gegen Läuse – das war’s“, sagt Orlob.
Er habe das Roden von Pflaumenbäumen für einen besseren „Landeplatz“ mitten auf dem Plateau als Kompromiss angeboten. Die Kreisverwaltung habe abgelehnt. Gegen den „Starrsinn der Bürokratie“ macht der Bauer weiter mobil. Posts riefen bereits einige Tausend Menschen in sozialen Netzwerken auf den Plan. Sein Schattenmorellen-Schild ging viral.
Rückt nun der Baumbagger an?
Auf die „Freude an wunderschöner Obstblüte“ hebt er im Text ab, auf seine väterliche Hege und Pflege und das behördlich angeordnete „Töten“ der jungen Bäumchen. Reumut klingt anders. Gau-Algesheims Ortsbürgermeister Michael König sagt: „Einfach mal etwas anpflanzen im Schutzgebiet, das geht natürlich so nicht.“ Sein Vorwurf richtet sich aber auch an europäische Vorschriften. „Mit dem Holzhammer Schutzgesetze durchzuboxen, das nimmt die Menschen vor Ort nicht mit.“
Rückt bis zum Jahresende nun der Baumbagger an? „Ich warte den Herbst erst einmal ganz entspannt ab“, kündigt Bauer Orlob an. Zu alt seien die Kirschbäumchen inzwischen, um das Umsetzen schadlos zu überstehen. Der Landwirt setzt auf die Kraft der öffentlichen Meinung.
Die Welle der Entrüstung reitet Orlob gekonnt, nutzt Kopfschütteln in sozialen Netzwerken, um die Verwaltung kleinkariert wirken zu lassen. Die Fronten verhärten zunehmend. „Hoffentlich kippt die Stimmung nicht insgesamt gegen den Naturschutz“, sagt König.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 11.06.2022 um 03:00 Uhr publiziert.