Wenn Trinkwasser über 20 Grad warm wird, beginnt es zu keimen. Ein Aspekt, auf den die Binger Wasserwerker besonders achten müssen.
Von Christine Tscherner
Die Drei von den Stadtwerken (v.l.): Thomas Schöller, Julian Becker und Dennis Frei vor dem Gaulsheimer Wasserwerk.
(Foto: Christine Tscherner)
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GAULSHEIM - Flirrende Hitze, Luft wie aus dem Heißluftfön. Das Thermometer hatte Ende Juni wieder neue Rekordwerte erreicht. Der Klimawandel bringt dem ohnehin warmen Bingen wahrscheinlich häufiger Schwitzwochen. Welche Folgen hat Bullenhitze für das Binger Wasserwerk?
„Der Wasserverbrauch steigt gar nicht so heftig, wie man meinen könnte“, sagt der erfahrene Wassermeister Thomas Schöller. Was seinem Stadtwerke-Team viel mehr Sorgen bereitet als Wasserknappheit, ist der Anstieg der Temperatur im Leitungsnetz unter Binger Straßen.
„Normal sind 14 oder 15 Grad Celsius“, sagt Netzmeister Julian Becker. Auf 18 und sogar 19 Grad stieg die Wassertemperatur im Hitzesommer 2018 an. „Wenn die Sonne über Wochen den Asphalt aufheizt, wird es auch tiefer im Boden wärmer“, erklärt Becker. Was an den paar Grad mehr so dramatisch ist? „Ab 20 Grad keimt Wasser aus“, sagt Schöller. Und Keime will keiner. Schon gar nicht im wichtigsten Lebensmittel: Trinkwasser. Damit es in prima Qualität klar, rein und selbstverständlich aus dem Wasserhahn rinnt, hat es in Bingen einen erstaunlich weiten Weg hinter sich. Zwei Drittel des Binger Wassers stammen aus Guntersblum. „Fremdwasser“ ist nötig. Nicht weil Bingen keine sprudelnden Quellen hätte. In vier Brunnen zwischen Gaulsheim und der Rheinwelle zapft die Stadt seit den 1960er-Jahren in 15 Metern Tiefe den Grundwasserstrom an.
Es ist gutes Wasser vom Jakobsberg mit nur einem Nachteil: Der Nitratgehalt überschreitet die Grenzwerte – nicht mehr so heftig wie vor 20 Jahren, aber die Folgen der Landwirtschaft und Düngung lassen sich im Grundwasser ablesen.
Deshalb rauscht aufbereitetes, nitratarmes Uferfiltrat im baumdicken Rohr vom anderen Ende des Landkreises heran. Die Binger Wasser-Experten nutzen den Schub sogar zur Energiegewinnung.
Technik machte vor gut 100 Jahren der Wasserarmut in Rheinhessen ein Ende und sollte sich auch in stolzer Architektur niederschlagen. Deshalb steht kein reiner Zweckbau in Gaulsheim, sondern eine Fassade im Stil des Historismus mit markantem Glockendach anno 1906.
Eine automatische Steuerungsanlage hält Wacht, übermittelt ständig Daten zu den Wasserexperten der Werke. „Früher standen hier die Maschinen, um Pumpen anzutreiben“, sagt Schöller. Denn von Gaulsheim muss das Wasser in vier Hoch- und zwei Tiefbehälter. Der größte liegt in Büdesheim mit fünf Millionen Litern Fassungsvermögen. Zum Vergleich: Das Bingerbrücker Naturerlebnisbad fasst sechs Millionen Liter. So viel verbrauchen die Binger fast an einem heißen Tag fürs Waschen, Zähneputzen, Kochen und die Klospülung.
Häufiger Duschen, Blumen gießen, Rasen und Reben wässern, Planschbecken füllen – der Wasserverbrauch steigt mit dem Thermometer-Stand. Die Stadtwerke registrieren rund ein Fünftel mehr Durchlauf als an einem Durchschnittstag.
Etwa 5500 Kubikmeter Wasser rauschen derzeit durch die städtischen Rohre. „Heiße Sommer bringen aber keine Ausreißer, denn hoher Verbrauch geht richtig ins Geld“, sagt Schöller.
Positive Nachricht: Der Durchschnittsverbrauch für Trinkwasser sinkt in Deutschland seit Jahren. Regentonne, Zisterne, sparsamere Geräte – das alles wirkt. Langsam ist auch in den Köpfen angekommen: Ein Rasen darf im Sommer braun aussehen. Denn der erholt sich wieder.
Mehr Wasserverbrauch und Sorgen um die Temperatur im Leitungsnetz sind für Wasserwerker also echte Klimawandel-Folgen in einer ohnehin wasserarmen Region.