Als Mini-Heilige mit Kutte und Kappe sind Grundschulkinder beim Binger Rochusfest ganz vorn dabei. Mittlerweile melden sich jedoch immer weniger Freiwillige als „Rochusjer“.
ROCHUSFEST VON 19. BIS 27. AUGUST
Täglich von Montag bis Samstag 9.30 Uhr Pilgeramt, 13 Uhr Pilgerandacht, 17 Uhr Vesper
Sonntag, 19. August: 10 Uhr Pontifikalamt, 15 Uhr Vesper, 19.30 Uhr Taizé-Gebet
Montag, 20. August, 19.30 Uhr: Heilige Messe der Kolpingsfamilien; Dienstag, 21. August, 14.30 Uhr: Heilige Messe für Senioren auswärtiger Gemeinden; 19.30 Uhr: Meditation in Wort und Gebet; Mittwoch, 22. August, 17 Uhr: Vesper der Hospizdienste; 19.30 Uhr: Neue Geistliche Lieder; Donnerstag, 23. August, 14.30 Uhr: Heilige Messe für Binger Senioren; 17 Uhr: Vesper der ständigen Diakone des Bistums; 19.30 Uhr: Treffen der Vertreter der katholischen Basilika-Gemeinde, der landeskirchlichen Johannesgemeinde und der pfingstlichen Fels-Gemeinde; Freitag, 24. August, 16 Uhr: Kinder-Wortgottesdienst; 19.30 Uhr: Feier der Versöhnung in der Rochuskapelle; Samstag, 25. August, 9.30 Uhr: Eucharistie-Feier; 14.30 Uhr: Gottesdienst für Menschen mit Behinderungen; 19.30 Uhr: Gottesdienst mit Lichterprozession; Sonntag, 26. August, 10 Uhr: Festamt zum Abschluss
BINGEN - Miriam Rappolt ist Fan, Rochusfest-Fan. Die Siebenjährige läuft verkleidet als kleiner Rochus bei der Prozession hinauf auf den Berg. Beim Pontifikalamt steht sie Sonntagvormittag vorn in der ersten Reihe. „Rochusjer“ ist für das Mädchen ein echter Ehrentitel. „Früh aufstehen macht mir nichts aus, ich bin sowieso wach.“ Außerdem hat Miriam in dem Job als Mini-Heilige Erfahrung. Sie war schon im vergangenen Jahr eines von drei Kindern mit Kutte und Kappe.
Freiwillige zu finden, die im Grundschulalter zwischen Weihrauch, Priestern und Gläubigen-Gesang einen Berg besteigen, das wird immer schwieriger. Gabi Niebergall kann als Organisatorin ein Lied davon singen. „Im letzten Jahr waren zum Rochusfest noch Ferien.“ Ferien erschweren die Rekrutierung von Neulingen immens. Auch ein Erfahrungswert.
Seit 22 Jahren hat sie das Rochusjer-Heft im Hintergrund in der Hand. „Zum Jubiläum der Rochus-Bruderschaft 1995 wurde an der Realschule die Tradition wieder lebendig“, weiß sie. Denn im Alter von Miriams Großeltern gehörte es unter Zweitklässlern an Binger Grundschulen zum guten Ton, die Pilger im Gewand des Heiligen zu begleiten. „Es waren weder Chorknaben, noch Kommunionskinder“, hat Gabi Niebergall recherchiert. Freiwillige für Muschel und Pilgerstock fanden sich schlichtweg unter den Grundschulkindern der Stadt. 18 Rochusjer zu Spitzenzeiten, das ist lange vorbei. Gabi Niebergall erinnert sich an Kinder aus Dietersheim, Büdesheim und Münster-Sarmsheim, die tapfer von der Basilika bis zum Außenaltar der Kapelle die Binger Reihen ergänzt haben. „Wir hatten auch schon Jahre ohne ein einziges Innenstadt-Kind“, sagt sie. Und: „Wenn sich das Fernsehen zum Oktav-Auftakt ankündigt, rennen uns Kinder die Tür ein.“ Aber die Zeit ist vorbei. Fest Nummer 352 bietet keine runde Zahl. Die Anmeldung als Rochusjer ist selbst unter Kommunionskindern kein Selbstläufer.
„Der Hinweis fruchtet nur, wenn die Familie mitzieht“, weiß Niebergall. „Entweder muss ein Freund einen Neuling mitreißen oder die Eltern haben die Tradition angelegt.“ Wie bei Miriam. „Mein Vater ist schon ewig der Träger“, sagt sie. Michael Rappolt (46) schultert die Rochusfigur. Vier ehrenamtliche Männer von den Maltesern tragen den Heiligen mit dem Goldumhang. Der Job ist schweißtreibend und körperlich der schwerste des Vormittags. Weil der Papa Rochusträger ist, kennt Miriam den Festauftakt seit Babytagen. „Im Buggy war sie schon dabei“, sagt Mutter Alexandra, 43. Sie erlebt das achttägige Fest als wichtigen Bestandteil der städtischen Kultur: „Als Zugezogene sieht man die starken Wurzeln der eingefleischten Binger mit anderen Augen“, beschreibt sie ihren Eindruck.
Viele Feste und Veranstaltungen bestimmen den Jahresrhythmus der Stadt. „Sich einbringen, das gehört dazu, wenn man hier lebt“, findet Alexandra Rappolt. „Wir haben sogar einen festen Binger Plan“, sagt Miriam. Mitlaufen beim Winzerfestumzug für die Kindergarde der Gruber Narren oder beim Turnverein steht beim Mädchen als Nächstes im Kalender. Was ihre Schulfreunde zum Einsatz als Rochusjer sagen? „Viele wissen gar nicht, was das ist.“ Die Siebenjährige schon. Sie kennt die Geschichte mit der Pest im Jahr 1666, die Sache mit dem Schwur des Stadtrats und dem ewigen Dank an den heiligen Rochus für Rettung aus großer Not. Miriam ist stolz darauf, Teil der Rochus-Geschichte zu sein. Und der Testlauf im vergangenen Jahr? „Da war ich schon aufgeregt vorher.“ Der große Gottesdienst mit Bischof und Priesteraufgebot samt Wanderung von der Stadt hinauf durchstehen, das erfordert mindestens Durchhaltevermögen. „Als Belohnung gab es aber Marmorkuchen für uns Rochusjer.“
Wer kurz entschlossen als Grundschulkind mitpilgern will, kann sich an Gabi Niebergall (0151-14 77 24 95) wenden. Kutten in allen Größen hält sie bereit. Weihrauchfestigkeit ist Bedingung. Und eine Stunde den Berg hinauf laufen sollte auch kein Problem sein.
Zum Start des Rochusfestes gibt es diesmal eine Premiere: Erstmals eröffnet der Mainzer Bischof Dr. Peter Kohlgraf die Oktav. Über das Motto entscheidet der Wallfahrtsprediger. Pater Volker Stollewerk hat sich „Die Bewahrung der Schöpfung“ ausgesucht. Klingt nach reichlich Stoff für Denkimpulse. Stollewerk übernimmt die Herausforderung der zehn Predigten an sechs Tagen. Zum Abschluss der Woche ist ein Festamt mit Pater Stefan Obergfell angesetzt. Der Provinzial der Oblaten wird die Wallfahrt unterm Blätterdach beschließen.
Wie im vergangenen Jahr verkürzen Binger Baustellen die Prozession. Start ist an der Rochusallee (Höhe Schillerstraße) statt vor der Basilika. Die Malteser werden also wieder die Rochusfigur zuerst in den Lastwagen verladen, bevor sich die Pilger um 8.15 Uhr hinter ihr formieren. Im gemächlichen Spaziergang mit Gesängen und Musik geht es bergauf. Das Pontifikalamt am Außenaltar der Rochuskapelle startet um 10 Uhr. Viele Gruppierungen der Stadt helfen tatkräftig beim ältesten Binger Fest. Von der Kirchengemeinde Stankt Martin, der Caritas und den Maltesern bis zu der rührigen Rochusbruderschaft. Deren Brudermeister Reiner Lotz war übrigens auch einmal ein Rochuskind als Zweitklässler.