Mit 88 Prozent der Stimmen hat die SPD-Mitgliederversammlung Michael Hüttner zum OB-Kandidaten ernannt. Hüttner sparte nicht mit Kritik an Amtsinhaber Thomas Feser.
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BINGEN - Die neue Zeit war schon zugegen, noch bevor es richtig losging. In der AWO-Begegnungsstätte am Freidhof kreiste über die Tische der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, der Ampel also, die signalgebend sein soll für die künftige Mehrheit im Binger Stadtrat. Am Freitag soll das 22 Seiten starke Papier der Öffentlichkeit vorgestellt werden, weshalb die Öffentlichkeit an diesem Abend nur einen Blick darauf erhaschte.
Aber schließlich ging es ja auch gar nicht um die politischen Vereinbarungen, die Rot, Gelb, Grün zusammenschweißen. Vielmehr ging es um die Nominierung des sozialdemokratischen OB-Kandidaten, der irgendwie bereits feststand: Den Fraktionschef und Landtagsabgeordneten Michael Hüttner hatte der Parteivorstand der Mitgliederversammlung vorgeschlagen, und Michael Hüttner ist es auch geworden. Nicht mit einem 100-Prozent-Votum sozialistischer Art, sondern mit einem demokratisch sehr respektablen Ergebnis: Von 48 Genossinnen und Genossen stimmten 42 für Hüttner, sechs gegen ihn, das entspricht rund 88 Prozent an Zustimmung.
Hüttner unterstrich die über Jahre gewachsene Geschlossenheit in Partei und Fraktion. „Jetzt können wir alles verändern; jetzt ist es Zeit für den Wechsel.“ Er sei sehr unzufrieden mit der Entwicklung der Stadt in den letzten Jahren. „Es gibt kein Konzept, keine Vision, es wird nur aus dem Bauch heraus entschieden.“ Hüttner benannte einige Handlungsfelder, wo er Defizite sieht, die er wiederum als Oberbürgermeister beheben möchte. Dabei geht es ihm unter anderen darum, die Leerstandsthematik bei Gewerbe- und Wohnflächen vordringlich in der Innenstadt anzugehen, Baugebiete auszuweisen, Bürgerbeteiligung zu erhöhen oder die Jugend besser einzubinden. Hüttner kritisierte den Umgangston von Rathauschef Feser, innerhalb der Verwaltung, aber auch im Rat. Im Rathaus lasse sich auf diese Weise keine Motivation erzeugen. Die Zusammenarbeit sei eine Frage von Wertschätzung einerseits und Loyalität andererseits. Er vertraue in die Fähigkeiten der städtischen Mitarbeiter, weshalb es keinen Grund gebe, in der angeblich „schwarzen Verwaltung“ Personal auszutauschen, sollte er OB werden.
Ein Thema war natürlich auch die geplante, verkehrliche Anbindung des Rhein-Nahe-Ecks. „Wir brauchen keine Straße jenseits der 30 Millionen Euro“, so Hüttner, dem bei diesem Thema allerdings auch der innerparteiliche Pluralismus in Gestalt von Seppel Götze entgegenschlug, der eisern an der Anbindung festhält.
Stadtverbandsvorsitzender Philipp Staudinger leitete kämpferisch ein: „Wir wollen die Geschicke dieser Stadt nicht der CDU und Thomas Feser überlassen.“ Erstmalig gebe es eine Mehrheit im Rat „jenseits der CDU“. Aufgrund der politischen Ziele brauche es nun auch eine sozialdemokratisch geführte Stadtspitze. Michael Hüttner habe die besten Chancen, dieses Ziel zu erreichen. Bereits der Vorstandsbeschluss, Hüttner ins Rennen zu schicken, sei einstimmig gewesen. Die OB-Wahl sei die „nächste Etappe“, eine neue Politik in Bingen zu installieren.