16 große Turbinen und ein 22-Tonnen-Katamaran, um diese zu befestigen. Was Christian Hanne und Norbert Burkart planen, ist kein günstiges Unterfangen.
Von Christine Tscherner
Christian Hanne (links) mit Schweißgerät und Norbert Burkart vor dem Katamaran am Binger Winterhafen.
(Foto: Christine Tscherner)
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BINGEN/ST GOAR - Das Schweißgerät läuft auf Hochtouren. Christian Hanne, gelernter Schmied, baut seit Oktober am Binger Winterhafen einen 18-Meter-Katamaran. Nein, kein Sportboot für Weltumsegler. Der 22 Tonnen wiegende Koloss ist Teil des Energie-Projekts „Mittelrheinstrom“, einer Deutschland-Premiere. Zusammen mit Norbert Burkart will Hanne Strom aus der Fließgeschwindigkeit des Rheins gewinnen. Den 360 000 Euro teuren Kat braucht die Firma, um ihre Turbinen einzubauen.
Seit vielen Jahren arbeiten die beiden Männer an ihrer Vision: Strom gewinnen aus der mächtigen Energiequelle vor der Haustür. Pionierarbeit braucht langen Atem. Der erste Energiepark in Deutschlands längstem Fluss, das ist der Plan. Langsam nimmt er Form an. Mit Wasserkraft umweltfreundlich Strom gewinnen, dafür investieren die beiden Männer viel. Burkart ist der Genehmigungsexperte des Gespanns, Hanne der Technik-Experte. Beide sind Geschäftsführer der Mittelrheinstrom UG & Co. KG. 20 Kommanditisten stiegen bereits mit einem Kommanditkapital von einer halben Million Euro ins Boot. Ein Nachrangdarlehen zur Finanzierung der nächsten Strombojen ist aufgelegt, St. Goar als Startprojekt fixiert. Dort wird der Binger Riesen-Kat ankern.
Das Prinzensteiner Fahrwasser, ein von der Berufsschifffahrt nicht genutzter Rheinarm, wird zum Stromrevier. 16 große Turbinen unterhalb der Wasserlinie sollen fließendes Wasser in nutzbare Energie umwandeln. Schwimmende Kraftwerke mit 2,5 Metern Rotordurchmesser bilden das Herzstück. Der Spezial-Katamaran ist für die Verankerung der Turbinen im Flussgrund nötig. Wäre die Miete einer schwimmenden Arbeitsbühne nicht deutlich zeitsparender und vor allem billiger? „Zweimal jährlich brauchen wir ohnehin einen Wartungskatamaran und Mietkosten sind immens“, sagt Burkart. Zudem sei ein wendiges Gerät für das eng bestückte Feld im Fluss nötig. „Um Ausfallzeiten zu vermeiden, müssen wir flexibel vor Ort sein“, sagt Hanne. Deshalb der Eigenbau.
In seinem Bad Sobernheimer Metallbaubetrieb startete er vor einem halben Jahr die Fertigung. Seit Oktober ist der Kat auf das Gelände des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes direkt an der Autofähre umgezogen. Anfang Januar wurden die Motoren geliefert. Das Getriebe folgt, Bohrgerät, Traggerüst und absenkbare Stützen ebenso. 15 Tonnen Gewicht muss der Kat am Ende tragen können.
„Ein Planungsingenieur aus Flensburg war der Experte.“ Burkart zeigt Quer- und Längsschnitte. Der erste Job des fertigen Bootes: die Verankerung der Startboje im Flussgrund. „Dazu werden wir bis zu acht Meter tief in den Fels bohren“, sagt Hanne. Ein Spezialistenteam reist deshalb für zwei Wochen aus Österreich an. Das Nachbarland gilt als Impulsgeber. In der Donau sind die ersten Strombojen in Betrieb.
„Die erste von insgesamt 16 Bojen am Rhein ist bestellt“, sagt Burkart. Sitzt die Turbine in Position, startet zunächst das Fisch-Monitoring. „Lachs- und Aalwanderung müssen wir abwarten, schauen, was sonst noch vorbeikommt.“ Bis zur Volllast in Loreley-Nähe rechnen Hanne und Burkart noch mit drei Jahren. Nächster wichtiger Termin: Der Monster-Kat muss Anfang April die TÜV-Prüfung bestehen.
Das Invest für 400 000 Kilowattstunden jährlich je Stromboje: rund 350 000 Euro inklusive Netzanbindung. „Eine Boje kann umgerechnet gut 100 Haushalte versorgen“, rechnen die Initiatoren vor. Das löst zwar nicht die Energieprobleme der Zukunft, ist aber ein Puzzlestein. Vor allem in dunkler Flaute entwickle das Kraftwerk unter Wasser viel Charme: Grundlasttauglich heißt der Fachbegriff. Die 2012 eingetragene Firma tritt als Projekt-Entwickler auf. Für den Standort bei St. Goar haben die Binger die Betreiberfirma Mittelrheinstrom gegründet. Weitere Bojen-Standorte sind bereits im Blick. Die Buga am Mittelrhein auch: „Unser Kat würde ein tolles Rheinschwimmbad abgeben.“