Im Binger Stadtteil Kempten hält Nicole Schulte fünf Bienenvölker für ihre Honigmanufaktur. Das ökologisch sinnvolle Hobby liegt bei naturverbundenen jungen Menschen im Trend.
Von Christine Tscherner
Nicole Schulte in ihrem Bienengarten in Kempten.
(Foto: Christine Tscherner)
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KEMPTEN - Nicole Schulte ist mit Herzblut Imkerin. Sie könnte Werbestar ihrer Zunft sein. Denn die naturverbundene Frau verkörpert die neue Generation der Bienenhalter: weiblich, jünger und offen für neue Vermarktungswege. Die Polizistin gründete die Kempter Honigmanufaktur.
Mit der Frühlingssonne startet das Leben an den Fluglöchern. Zwischen der Einfahrt ins Kempter Neubaugebiet und dem Obsthof hat Nicole Schulte seit Jahresbeginn eine Grünparzelle gepachtet. Alte Obstbäume stehen darauf, ein paar Gemüsebeete sind in Arbeit. Und mittendrin stehen fünf Bienenvölker mit gut 10 000 Bewohnern. „Bis zu 60 000 Tiere werden es in den Sommermonaten.“ Nicole Schulte erklärt den Jahreszyklus im Bienenstock.
„Ein extrem schönes Familienhobby“
„Für mich ist die Imkerei ein extrem schönes Familienhobby und ein toller Ausgleich zum Beruf.“ Nicole Schulte ist Oberkommissarin in Mainz. „Wer mit Bienen arbeitet, der lernt ruhig und bedächtig zu sein.“ Ihre beiden Kinder im Vorschulalter helfen am liebsten beim Honig schleudern.
2010 zogen die Schultes ins Neubaugebiet. „Bekannte von uns hatten hier gebaut und uns gefiel der Dorf-Charakter auf Anhieb.“ Der Tag der offenen Tür beim Kreisimkerverein wurde 2016 zum Auslöser. Nicole Schulte meldete sich zu einem mehrmonatigen Lehrgang an, lernte alles über das Zusammenspiel von Bienen, Pollen, Bestäubung und Honig.
Durchlenzung, Umlarvlöffel und Varroa sind inzwischen keine Fremdwörter mehr. Apropos Varroa: Der fiese Schädling steht neben Unkrautvernichtungsmitteln aus der Landwirtschaft scharf in der Kritik – als einer der Ursache für sterbende Bienen. Gut ausgebildete Hobbyimker wie Nicole Schulte gelten hingegen als Teil der Lösung. „Ich nehme mit zwei meiner Völker an einer Varroa-Studie teil“, sagt die Kempter Imkerin. Raubmilben sollen als natürliche Feinde den Schädling im Zaum halten. Ein Versuch, der auf einer Jugend-forscht-Idee fußt.
Bienenhaltungskurse sind bei jungen Eltern im Trend. Denn als Haustiere sind Bienen stressfrei. Der Mix aus Ökogedanke, Tierschutz und lokaler Ernährung boomt. Der Wert der fleißigen Bienen für den Menschen ist inzwischen in den Köpfen angekommen.
„Die Vielfalt des Nektar-Angebots ist wichtig“, sagt Schulte. Auch wenn aufgeschlossene Winzer Blühstreifen zwischen die Wingertzeilen säen, mitten ins Rebland würde Schulte ihre Völker nie stellen. Trotz viel Weinbergsmonokultur rund um den Rochusberg seien Wälder, Wiesen und Gärten im Insektenflug-Radius.
Die Kirschblüte beginnt. In den Vorgärten recken Frühlingsblüher längst die Köpfe. Das Europareservat der Rheinauen wechselt in den Schönwettermodus. „Ein Nebeneffekt beim Imkern ist, dass Du viel mehr auf die Natur achtest, welche Kräuter, Bäume und Blüten wann blühen.“
Auch entschädigt der Honig für Investitionen in die Grundausstattung. „Rund 100 Kilogramm habe ich im ersten Jahr abgefüllt, die waren ratzfatz ausverkauft.“ Nachschub gebe es erst wieder im Juni. Das gut besuchte Sommernachtsfest im Weingut Vino Fredi und der Hofladen der Familie Bischof lenkte die Aufmerksamkeit auf ihre Manufaktur.
Ein selbst entworfenes Logo klebt auf Schultes kleinen Pfand-Gläschen. Eine Webseite ist im Aufbau. Die Auszeichnung bei ihrem ersten Kammerwettbewerb sieht die Neu-Imkerin als Bestätigung.
Über die Facebook-Seite vermarktet die kleine Manufaktur auch Tücher aus Bienenwachs. „Das ist die Öko-Alternative zu Alu und Frischhaltefolie“, sagt Schulte. Kempter Honig gilt bereits als Geheimtipp im Stadtteil, als essbarer Lokalpatriotismus auf dem Frühstückstisch.
Nachfrage zu den Lehrgängen steigt
Imkern ist wieder Kult. Die Nachfrage zu Lehrgängen steigt stetig. Warum die Biene so viel Aufmerksamkeit erfährt, hat auch mit den Schlagzeilen um das Insektensterben zu tun. Seit Jahren schlagen Forscher Alarm. Auch in Rheinhessen wurde der Bienentod zum Thema. Drohender Ernteausfall durch Ableben der Bestäuber rüttelte wach.
„Für diesen Honig fliegen meine Bienen zusammengerechnet einmal um die Welt.“ Nicole Schule hält ein 250-Gramm-Glas in der Hand. „Unglaublich, oder?“