Nur über die Straße muss Sonja Schmitt die Textilien schieben, zum neuen Laden. Seit 30 Jahren ist sie in Bingen aktiv und bewertet die Situation des Einzelhandels in der Innenstadt.
Von Erich Michael Lang
Reporter Rheinhessen
Sonja Schmitt muss die Textilien nur über die Straße zum blauen Haus gegenüber schieben.
(Foto: Thomas Schmidt)
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BINGEN - Schon seit 30 Jahren ist sie als Geschäftsfrau in Bingen aktiv und in dieser Zeit auch ein paarmal umgezogen. Aber diesmal wird es wenigstens kein weiter Weg werden. Im Grunde ist die neue Adresse einen Steinwurf weit entfernt, sozusagen schräg gegenüber. Sonja Schmitt wird mit ihrem bekannten Modegeschäft „La Provence“ den seit sieben Jahren angestammten Platz am Speisemarkt verlassen, um ein wenig bergauf an die Basilikastraße zu wechseln, in das blaue Haus, in dem Aust gewesen ist.
Tatsächlich wird sie die Textilien einfach über den Platz und die Straße hinüberrollen können. Die Lagerbestände haben sich bereits auf den Weg gemacht. Ende März findet ein fliegender Wechsel statt, die Neueröffnung soll sich nahtlos und ohne Räumpause anschließen, wenn am Speisemarkt endgültig die Lichter ausgehen.
Zeitpunkt für Renovierung war gekommen
„Ich hänge sehr an diesem Geschäft“, sagt Sonja Schmitt. Es sei damals ihr Traum gewesen, die Geschäfte in der Salz- und Schmittstraße an einem Standort zusammenzulegen. „Es war eine super gute Entscheidung.“ Nun aber hat der Wandel an die Tür geklopft und es zählt zu Sonja Schmitts Philosophie, Veränderungen zu wagen, nicht auf dem Ist zu beharren. Der Wandel trat in Gestalt des Eigentümers von gegenüber auf. Er machte ein attraktives Angebot. Ihr Vermieter am Speisemarkt zeigte hingegen kein Entgegenkommen. „Auch gibt es Mängel. Der Putz bröckelt von der Wand. Den versprochenen neuen Außenanstrich oder die Markise gab es auch nicht“, so Schmitt. Außerdem war nach sieben Jahren der Zeitpunkt für eine Renovierung des Ladengeschäfts gekommen. Das Für und Wider war schnell abgewogen und die Entscheidung fiel für den neuen Standort an der Basilikastraße. Dort gibt es auch einen entscheidenden Vorteil: Die Ladenfläche erstreckt sich über das gesamte Erdgeschoss. Keine Treppe mehr nach oben. „Es ist vielleicht ein paar Quadratmeter kleiner; das nimmt sich nicht viel“, sagt Sonja Schmitt. Allerdings wird sie künftig keine so großen Schaufensterflächen mehr haben. „Da kann ich mit leben.“ Und sie fügt schmunzelnd hinzu: „Es wird aber bestimmt mein letzter Umzug sein.“ Die Kundschaft sei begeistert, vor allem, weil es keine Treppe mehr geben wird. Als erfahrene und bestens vernetzte Geschäftsfrau verfolgt Sonja Schmitt aufmerksam die kontroverse Debatte um die Entwicklung der Innenstadt, die sich unter anderem immer wieder auch an Leerständen entzündet. Sie wird mit ihrem Geschäft einen Leerstand füllen, einen anderen aber zurücklassen. „Im Moment ist es in der Innenstadt nicht gut so. Dass Douglas seine Filiale aufgab, tut weh“, sagt sie. Aber genau wie für ihre eigene unternehmerische Planung gelte auch für die gesamte Innenstadt, dass es fatal wäre, einfach den Kopf in den Sand zu stecken. „Die Stadt hat viel zu bieten. Touristen schwärmen von Bingen. Nur die Binger selbst reden ihre Stadt schlecht“, beschreibt sie die Atmosphäre, die sie schon seit Jahren wahrnimmt. „Man muss eben einfach was tun“, empfiehlt sie.
Ein gutes Beispiel sei eine Whatsapp-Gruppe der Händler. Dadurch habe sich die Kommunikation erheblich verbessert. „Es müssten überhaupt die Kräfte mehr gebündelt werden: die Stadt, die Touristinformation, die Werbegemeinschaft, der Handel insgesamt.“ Warum beispielsweise nicht mal eine Broschüre herausbringen, die überall ausliegt und über die Einkaufsmöglichkeiten in Bingen mit allen Geschäften aufklärt? „Aber wer macht das?“ Genau an solchen Fragen scheitere derzeit vieles. Bingen als Einkaufsstadt brauche generell mehr Marketing. Es sei falsch, immer nur auf dem Online-Thema herumzureiten und wie sehr der Internethandel den stationären Handel belaste. Genauso verhalte es sich mit der endlosen Diskussion über Parkplätze in der Stadt. Viel wichtiger sei es, ständig mit Events die Kundschaft zu interessieren. Dies halte sie in ihrem eigenen Geschäft auch so. Es gehe darum, auch im Angebot Anziehungspunkte zu setzen. Viele Billigläden seien da das falsche Rezept. „Jeder muss innerhalb seiner eigenen Wände was tun und es positiv auch nach außen tragen.“ Sonja Schmitt jedenfalls lässt keinen Zweifel daran, dass ihr Optimismus sich nicht von widrigen Umständen einschüchtern lässt.