Stefan Hochthurn vom Weingut Werner Hochthurn in Dromersheim präsentiert seinen neuen „Orange“. Foto: Christine Tscherner
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DROMERSHEIM - Rot, Weiß, Rosé – bislang gab es Wein in diesen drei Farben. Winzer experimentieren seit einigen Jahren auch mit Orange und einer uralten Form der Weinerzeugung. Orange? Während die Szene kontrovers diskutiert, probiert Stefan Hochthurn, 43, die Spezialform des Weißweins einfach aus. Mit Erfolg. „Zweidrittel der Flaschen sind bereits verkauft.“
Auf dem Winzerfest präsentierte der Weinbautechniker aus Dromersheim seinen „Orange“ aus Grauburgunder-Trauben unter „Lieblingsstücken“ zwischen Eiswein und grünem Silvaner. Der Winzer kennt inzwischen die Reaktionen: Krautige und komplexe Aromatik mit würziger Note lässt die typisch fruchtigen Noten in den Hintergrund treten. „Bei Kunden kommt das überraschend gut an.“ Seit Frühjahr ist er mit seinem Orange auf Weinfesten und Messen, hat 400 Flaschen bereits verkauft. Der Entschluss steht: „Auch 2017 wird es Orange bei mir geben, vielleicht sogar aus dem Barrique-Fass.“
Woher hat der Wein die besondere Farbe? „Weiße Rebsorten sind die Basis“, sagt Stefan Hochthurn. Nur werden die Trauben wie die Roten vom Winzer verarbeitet, also mit Schalen und Kernen. Durch den intensiven Kontakt mit dem Traubensaft bleiben mehr Farbpigmente erhalten. Dadurch entsteht die ungewohnte Farbe, aber eben auch der für Weißwein untypische Geschmack.
Denn im Orange-Wein bleiben mehr Phenole und Tannine erhalten. Bei Rotwein sind diese Stoffe willkommen, weil sie den Weinen Farbe, Geschmack und Textur verleihen. Bei Weißwein wird typischerweise der Traubensaft schnell abgepresst, um möglichst viel Frische und Fruchtigkeit zu erzielen. Für den Massengeschmack klingt das Verfahren eher untauglich. Das Risiko scheint hoch, dass Weintrinker den Orange-Wein als fehlerhaft ablehnen. „Deshalb habe ich mit 600 Litern auch nur mein kleinstes Fass damit belegt“, sagt Stefan Hochthurn.
Experten sehen den zunehmenden Gesundheitstrend als eine Ursache für die erhöhte Aufmerksamkeit. Phenolen wird gern eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Anti-Aging und Antioxidantien sind Stichworte. Orange Wine reitet also die Gesundheitswelle. Und vielleicht beschert einfach die Suche nach unkonventionellen Weinen Stefan Hochthurn mehr Nachfrage als gedacht. „Der Herbst 2016 war entspannt und ich hatte in der Fachpresse vom Orange-Wein gelesen.“ Die beiden Faktoren förderten seine Experimentierlust.
In der Winzerszene ist die vierte Weinfarbe seit einigen Jahren ein Thema. Denn die Herstellung greift eines der ältesten Verfahren der Welt auf. „In Georgien wird Wein auch heute noch nach alter Tradition hergestellt, nur eben nicht exportiert“, weiß Hochthurn.
Bereits vor 5000 Jahren füllten die Vorfahren weiße Trauben in Ton-Amphoren und vergruben sie zum Gären. Stefan Hochthurns Maische wurde – ganz unromantisch – in Bütten aus Plastik vergoren und dann in Edelstahltanks gelagert. „Knifflig war die Oxidation“, sagt er. „Braunen Wein will schließlich niemand trinken.“
2002 übernahm Stefan Hochthurn das Weingut seiner Eltern. Die 15 Hektar bewirtschaftet er weitgehend allein; 80 Prozent der Ernte geht an Fasswein-Abnehmer, 20 Prozent zieht er auf Flaschen. Die Lagen des Weinguts Werner Hochthurn reichen vom steilen Dromersheimer Hörnchen bis ins Flachland von Büdesheim, vom leichten Sandboden bis zum schweren Lehm.
Riesling- und Burgundertrauben überwiegen. „Ansonsten habe ich das für Rheinhessen typische breite Spektrum.“ Sauvignon Blanc ist neu, Silvaner, Burgunder, Chardonnay, Gewürztraminer, Müller-Thurgau und einige Neuzüchtungen bilden neben 15 Prozent Rotwein das Sortiment. „Für die Vermarktung bin ich von Hamburg über den Niederrhein und Ost-Westfalen hauptsächlich in Norddeutschland unterwegs.“ Er steht auf Wein- und Cityfesten. „Moderner werden, Neues und Ungewöhnliches für Messen anbieten können“, das ist das Ziel des Dromersheimers.
Gern testet er untypische Cuvees. Auch mit Verjus, dem Saft unreifer Trauben, hat er Erfahrung gesammelt. Prämierungen und zuletzt ein zweiter Stern bei der AWC (Austrian Wine Challenge) Vienna, dem weltweit größten Weinwettbewerb, sind Lohn für den Mut zu neuen Wegen. Übrigens: Orange-Wine wird gern zu besonderen Gerichten in der Spitzengastronomie gereicht. „Er passt toll zu würzigem und deftigem Essen und ich persönlich finde ihn perfekt zu kräftigem Käse.“