Jugendherberge Bingerbrück: 2017 1000 Übernachtungen mehr als im Vorjahr – Erfolgsrezept: Schnell auf Trends reagieren
Von Christine Tscherner
Sehr gefragt: Wenn es Platz gäbe, würde Betriebsleiter Christian Kupper an die Jugendherberge anbauen. Archivfoto: Thomas Schmidt
( Foto: )
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
BINGERBRÜCK - 1000 Übernachtungen mehr als im Vorjahr und für 2018 schon den nächsten Rekord im Visier: Die Jugendherberge punktet auch im trübsten Wintergrau. Was ist das Erfolgsrezept? Betriebsleiter Christian Kupper zieht Bilanz und schaut nach vorn auf die Saison 2018.
„Hätten wir Platz am Hang, ich würde 20 Zimmer anbauen und noch mehr Tagungsräume.“ Herbergsleiter Kupper schließt mit knapp 25 000 Übernachtungen das Buch 2017. Familien sind seine stärkste Klientel. „Den Rhein gemeinsam auf dem Fahrrad erkunden, das ist inzwischen beliebter Sommerurlaub.“
Tagungsräume als Zweiradgarage
Zwei Tagungsräume im Erdgeschoss werden in der Hochsaison zur Zweirad-Garage. „Am Wochenende sind 60 Räder keine Seltenheit.“ Die Jugendherberge gibt sich reaktionsschnell auf Trends. „Wir haben eigens Akkuladestationen angebracht, damit die Batteriesätze für E-Bikes nicht aufs Zimmer getragen werden müssen.“
ZAHLEN
2008 übernahm Christian Kupper das Ruder im renovierten Jugendgästehaus in Bingerbrück. 13 Prozent mehr Auslastung als die Durchschnittsherberge in Rheinland-Pfalz und nur knapp unter dem rheinland-pfälzischen Spitzenreiter Burg Stahleck mit 80 Prozent gibt er für 2017 durch. Modernisieren und Kapazitäten erweitern, das ist die Marschroute der Dachorganisation im Südwesten. Oberwesel mit seiner Jugendherberge steht ganz oben bei den Übernachtungen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland: 57 119. Damit stehen drei starke Häuser am Weltkulturerbe Mittelrhein.
In Trier entsteht derzeit mit der Modernisierung für 5,2 Millionen Euro die größte Jugendherberge im Land (370 Betten). Für alle Häuser gilt der Trend: Klassenfahrten bleiben wichtig, aber Familien sind mit 35 Prozent mittlerweile die stärkste Gruppe.
Was Jahr für Jahr überrascht: Kuppers Team setzt der Saure-Gurken-Zeit von November bis Februar gut geschnürte Programme entgegen. „Seit ein paar Jahren haben wir keine Saisonkräfte mehr.“ Aber um Ganzjahresjobs anbieten zu können, muss im Winter wenigstens eine schwarze Null stehen. Seminare, Chorproben, Theatergruppen, Weiterbildungen für FSJler, Rotes Kreuz, Firmen und ein umfangreiches Kreativ-Angebot sind Zugpferde.
Mit dem Museum am Strom arbeitet das Haus eng zusammen, bietet Römer-Nachmittag für Kinder und parallel Führungen für Eltern an. Silvesterschiff, Adventsprogramm, Kinderbasteln, Weinproben mit Winzern – die Jugendherberge ist rührig. Kooperationen sind das Erfolgsmodell.
„Für Bingen war der Dezember mit vier Wochen Winterwunderland eine Riesenbereicherung“, lobt Kupper Privat-Engagement. Seine Gäste konnten die Eisbahn nutzen und Winterflair mit Getränke-Voucher am Kastell-Stand genießen.
„Lasst uns im Sommer noch einmal zu einer Schifffahrt und Wanderung nach Bingen kommen.“ Den Vorschlag hörte Kupper oft. Denn Bingen biete dem Gast viel. „Leider hat im Winter viel geschlossen.“
Traumaussicht und Top-Anbindung an die Bahnstrecke sind Pfunde. „Im Sommer punkten wir mit dem Naturerlebnisbad und dem direkten Wandereinstieg.“ Mehr Premium-Wanderstrecken wären möglich. „Darauf achtet der Gast.“
Gäste loben in Bewertungsportalen das Herbergsbuffet, die Handtuchwärmer, die Möglichkeit zum geselligen Tagesabschluss im Bistro. „Hätten wir Fernseher auf den Zimmern, wir könnten als Hotel durchgehen“, sagt Kupper. Nicht auf den Lorbeeren ausruhen, das ist jedoch sein Job. „2018 werden wir alle Duschtüren austauschen.“ Gerade einmal zwölf Jahre ist die Generalsanierung des 121-Betten-Hauses her. Der extrem hohe Kalkgehalt des Binger Wassers hinterlässt Spuren. Regelmäßig neue Wandfarbe gehört indes zu den Standardarbeiten. Frische Optik und hohe Kundenzufriedenheit stehen ganz oben auf Kuppers Liste. Top-Bewertungen sind der Dank.
Für 2018 standen schon zum Jahresstart 22 186 Buchungen im Kalender. „Wir können die Zimmernachfrage nicht befriedigen“, sagt Kupper. Echtes Bedauern schwingt mit. Denn wer als Gast acht Mal abgewimmelt wurde, der ruft kein neuntes Mal an. So ist die hohe Auslastung von 76,76 Prozent nicht nur Segen, sondern auch Fluch.
„Nur an zwei Wochenenden im Jahr gibt es noch Chancen auf Zimmer.“ Für Boom-Tage führt das Haus sogar Wartelisten im Storno-Fall. Fieses Dauergrau und trotzdem volles Haus? Die Jugendherberge hat seit der Renovierung ihr Konzept gefunden. „Wir leben nicht von Zuschüssen, sondern müssen uns selbst tragen“, unterstreicht Kupper.
Lohn der Mühe ist ein attraktives Ganzjahresangebot sowohl für Gäste als auch für dauerhafte Arbeitsplätze. Auf 22 ist die Mitarbeiterzahl inzwischen gestiegen. Wenig Fluktuation und sogar die Integration von Kollegen mit Förderbedarf, darauf ist Kupper stolz.
Jeder vierte Bingen-Gast wählt die Jugendherberge als Übernachtung. Das uralte Prinzip der Pflichtmitgliedschaft im Herbergswerk zahlt sich aus, bewirkt mehr als jeder Treuepunkt. Wer einmal den Mitgliedsausweis im Portemonnaie hat, erhält Information und Anregung der Häuser – und kommt wieder.