„Fridays for Future“-Demonstrationen in Bingen angekommen
Die Premiere übertrifft alle Erwartungen. Laut Veranstalter demonstrieren 500 junge Leute für Klimaschutz.
Von Sören Heim
Auf Plakaten und Betttüchern artikulierten die jungen Demonstranten ihre Forderungen.
(Foto: Sören Heim)
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BINGEN - Deutlich mehr als 500 Schüler und Studenten haben sich am Freitag laut Zählungen der Veranstalter auf dem Speisemarkt versammelt. Sie tragen Schilder und Transparente, auf denen Slogans stehen wie „Rettet die Pole, raus aus der Kohle“. Gemeinsam zieht man über Stadtbahnhof und Fruchtmarkt auf einer großen Runde durch die Stadt und auf den Bürgermeister-Neff-Platz.
Bisher war es ruhig gewesen in Bingen um die „Fridays for Future“-Bewegung, die weltweit zu Schul- und Universitäts-Streiks aufruft, um auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen und insbesondere darauf, was für ein großes Problem hier die ältere Generation der jüngeren mit auf den Weg gibt.
Ingelheim hat bereits Erfahrung
In Ingelheim hat es bereits Demonstrationen gegeben, und einige Schüler aus Bingen haben sich dort beteiligt. Zur ersten Binger Demonstration hat nun eine Gruppe junger Studenten der Technischen Hochschule aufgerufen, wie Mitorganisator Marcel Weber erklärt. Das sei von Anfang an auch als Angebot an die Schulen gedacht gewesen, einzusteigen, in der Hoffnung, dass die Bewegung sich auch in Bingen zum Selbstläufer entwickelt. Mittlerweile gehören auch Schüler der Organisationsgruppe an. Bundesweit waren für den Freitag mehr als 150 Demonstrationen angemeldet, weltweit sollte in über 100 Staaten demonstriert werden. Mit den jungen Demonstranten solidarisiert sich derzeit auch eine Gruppe, die sich „Parents for Future“ nennt, und das Anliegen der Jugend unterstützt. Auch in Bingen solidarisieren sich einige Erwachsene, wobei besonders eine Gruppe von Forstarbeitern auffällt. Als Menschen, die täglich im Wald seien und die Schäden des Klimawandels als erste sähen, so Förster Axel Henke, wolle man ähnlich wie die über 12 000 Wissenschaftler, die die Bewegung unterstützen, ein Zeichen setzen und signalisieren: Die Jugend hat die richtige Perspektive auf das Thema.
Der Großteil der Demonstranten vor Ort aber sind Schüler aus Bingen und Umgebung. Eine Gruppe ist sogar aus Stromberg angereist und freut sich, dass sich in Bingen etwas tut: „Immerhin geht es hier um unsere Zukunft.“ Das findet auch Leon, 13, der sich mit Freunden entschlossen hat, mit zu demonstrieren, denn: „Wir müssen etwas machen, das Thema betrifft uns direkt.“ Im Unterricht sei die Klimaschutz-Bewegung bisher übrigens kaum Thema gewesen, gibt nicht nur Leon zu Protokoll. Eine größere Gruppe Schülerinnen von der Rochusrealschule mutmaßt, dass ihre Anwesenheit auf der Demonstration von der Schulleitung und Teilen des Kollegiums eher kritisch gesehen würde, während es durchaus Lehrer gebe, die das Engagement der Schülerinnen guthießen.
Relativ offen für das Anliegen der Demonstranten hat eine Gruppe Schüler des Stefan-George-Gymnasiums ihre Schule erlebt. Allerdings gelte auch hier: Längere Diskussionen im Unterricht habe es nicht gegeben, es werde sich eher auf dem Pausenhof ausgetauscht. Kritische Worte finden die Demonstranten immer wieder für Politiker und andere Erwachsene, die fordern, die Schüler sollten doch bitte in ihrer Freizeit streiken. Ein Streik in der Freizeit, das sei kein Streik. Und Mitorganisator Weber macht in seiner Rede zum Auftakt der Demonstration noch einmal deutlich: „All die Kritik zeigt, dass wir etwas richtig machen.“
Vom Zuspruch zur Demonstration zeigte sich auch Mitorganisatorin Saskia Halbenz begeistert. Etwa 50 Leute habe man erwartet, gab sie im Gespräch zu Protokoll. Dass mehr als zehnmal so viele gekommen seien, sei unglaublich. Die Organisationsgruppe wolle auf jeden Fall auch zu allen weiteren bundesweiten Streiktagen Demonstrationen auf die Beine stellen. In einer späteren Rede wandte sich Halbenz auf dem Neff-Platz dann nochmal an alle, die den Beteiligten als Hauptmotiv das Schulschwänzen unterstellen. An Kant angelehnt, erklärte sie: „Wir haben den Mut, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen. Wir bemühen uns um den Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.“
Der Zuspruch zur ersten „Fridays for Future“-Demo in Bingen war gewaltig. Nun sind die Teilnehmer gespannt, ob sich das verstetigen lässt.