Markus Lötzbeyer (v.l.), Andreas Kern, Thomas Hartmann, Thomas Feser und Matthias Schmandt an der Gedenktafel. Foto: Heim
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BINGEN - (söh). Zwei Lynchmorde im Binger Raum, über die gut 70 Jahre geschwiegen wurde. Die Opfer in beiden Fällen amerikanische Soldaten, die Täter Binger, beziehungsweise Dromersheimer Bürger – längst nicht alle konnten ermittelt werden. Aufgrund der Recherchen von SWR-Journalist Wolfgang Seligmann mittlerweile relativ bekannt ist der Fall von Odis Lee Apple Jr., der am 13. September 1944 in der Mainzer Straße ermordet wurde. Details zu der wahrscheinlichen Ermordung von Bruce E. Forsberg in Bingen-Dromersheim hat Thomas Hartmann zutage gefördert. Eine Gedenktafel für Odis Lee Apple Jr. wurde jetzt in der Mainzer Straße auf Höhe der Sparkasse angebracht, eine weitere soll demnächst in Dromersheim installiert werden.
Ein Jagdbomber wird auf dem Rückflug von Schwäbisch Hall bei Mainz getroffen, stürzt über Rüdesheim ab, ein Soldat kann sich per Fallschirm retten. Er wird in Bingen aufgegriffen, soll ins Gefängnis überstellt werden, doch eine Gruppe Binger rund um einen der SA (Sturmabteilung, paramilitärische Kampforganisation der NSDAP) angehörigen Hausmeister ist schneller. Apple Jr. bekommt einen Bauchschuss, und wird wahrscheinlich später durch einen zweiten Schuss getötet. So berichtet es Zeitzeugin Annlis Seligmann, so lässt sich die Tat, wie der Leiter des Binger Kulturamtes, Dr. Matthias Schmandt, erklärt, mittlerweile auch relativ lückenlos aus frei gewordenen Prozessakten rekonstruieren. Der Haupttäter starb bei Bombenangriffen auf Bingen einige Wochen nach dem Mord, einige Mittäter wurden vor einem amerikanischen Gericht in Dachau verurteilt.
Unklarer, was wenig später in Dromersheim geschehen ist. „Dass es auch hier einen toten Soldaten gab“, so Hartmann, „erzählte man sich gerüchtweise immer mal wieder. Buchstäblich in letzter Sekunde konnte eine Zeitzeugin, die mittlerweile verstorben ist, die Version der Ereignisse bestätigen, wonach man auch hier von Mord ausgehen muss.“ Der Vater der Zeugin habe die Leiche gesehen, eine weitere Zeugin berichtet, sie habe in der Nacht einen Schuss gehört und sei von Nazisympathisanten angewiesen worden, nichts zu erzählen. Demnach wurde Bruce E. Forsberg, ebenfalls Überlebender eines Absturzes, zwischen Dromersheim und Ockenheim gefangen gesetzt und zuerst nach Ockenheim gebracht. Dort habe man ihn mehrfach geschlagen. Weil dem Bürgermeister die Sache zu heiß wurde, wurde der Gefangene nach Dromersheim überstellt und dort nachts erschossen.
Oberbürgermeister Thomas Feser lobt die Installation der Gedenktafeln als einen wichtigen Teil der Vergangenheitsbewältigung in Bingen. Die dunklen Seiten der Stadtgeschichte sollten nicht in Vergessenheit geraten. Derzeit werde an einer umfassenden Aufarbeitung der Geschichte Bingens unterm Hakenkreuz gearbeitet, die von der Stadt in Auftrag gegeben worden sei. Der erste Band erscheint 2017.