Entscheidung über Möbelmarkt-Ansiedlung bei Bingen rückt näher
Von Erich Michael Lang
Reporter Rheinhessen
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BINGEN/KOBLENZ - Vor dem Jahreswechsel könnte es noch mal spannend werden. Offenbar ist das Oberverwaltungsgericht in Koblenz (OVG) entschlossen, im Dezember über den „Antrag auf Zulassung der Berufung“ in der Auseinandersetzung um einen Möbelgroßmarkt bei Bingen zu entscheiden. An dieser gerichtlichen Klippe wird sich entscheiden, ob der Widerspruch des Zweckverbandes Gewerbe- und Industriepark Sponsheim-Grolsheim zerschellt, oder aber ein Berufungsverfahren um die Ansiedlung des Möbelmarktes aufgenommen wird.
Der Streit um die Quadratmeter
Der Zweckverband im Schulterschluss mit der Stadt Bingen hatte gegen den Bescheid der Genehmigungsbehörde, der Struktur- und Dienstleistungsdirektion (SGD) in Neustadt, geklagt, wonach der Möbelmarkt lediglich eine Verkaufsfläche von 22 000 Quadratmetern haben dürfte. Dies wurde als Beerdigung erster Klasse für das Projekt gewertet, weil Zweckverband und Investor der Rentabilität wegen 45 000 Quadratmeter forderten. Die Möbelmarktbefürworter waren im November 2016 vor der dritten Kammer des Mainzer Verwaltungsgerichtes unterlegen. Das Gericht stützte damals die Auffassung der SGD. Das Verwaltungsgericht ließ zudem auch keine Berufung zu. Das war für den Zweckverband und seine Freunde eine bittere Niederlage. Die einzig verbleibende Hintertür war dann eben jener „Antrag auf Zulassung der Berufung“ beim OVG. Die obersten Landesrichter können nun entweder die Berufung ablehnen, was dem Todesstoß für den Möbelmarkt gleichkommt. Lassen sie aber die Berufung zu, wäre dies für den Zweckverband ein doppelter Erfolg. Nicht nur, dass die gerichtliche Auseinandersetzung um den Genehmigungsbescheid dadurch grundsätzlich wieder aufgenommen wird. Lässt das OVG die Berufung zu, deuten die Richter damit zugleich Zweifel an der SGD-Entscheidung an, die nochmals gerichtlich überprüft werden müssten.
Unter der Oberfläche schwelt brisanter Konflikt
Das Fingerhakeln um Verkaufsquadratmeter ist dabei nur die Oberfläche. Im Hintergrund lauert ein tiefgreifender Konflikt zwischen Landesgesetzgebung und kommunaler Selbstverwaltung.
FILETSTÜCK
Der Investor im Hintergrund zeigt Geduld und hat sich durch die gerichtlichen Auseinandersetzungen einstweilen nicht abschrecken lassen. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Fläche unmittelbar am Autobahndreieck Nahetal für ein solches Projekt als „Filetstück“ gilt, das man nicht vorschnell aus der Hand gibt.
Der Zweckverband mit seinem Rechtsbeistand argumentiert, es sei falsch und laufe der Branchenstrategie zuwider, einen Möbelmarkt von dieser Größenordnung rein als „städtischen“ und unmittelbar regionalen Anbieter zu sehen. Genauso wie es unsinnig sei, beispielsweise Ikea der Stadt Hofheim oder dem Stadtteil Wallau zuzuordnen. Märkte dieser Größe funktionierten im weiten regionalen Umfeld, mit Einzugsradien von 150 bis 200 Kilometern. In diesen Wettbewerb der Möbelriesen dürfe Landesplanung oder Politik nicht eingreifen. Es könne keinen Konkurrenzschutz geben. Dabei berufen sich die Möbelmarkt-Befürworter auch auf europäische Rechtsprechung.
Zugleich verweist der Zweckverband aber auch auf die kommunale Selbstverwaltung. Es könne nicht sein, dass die SGD die Entwicklung eines bereits genehmigten Industrie- und Gewerbeparks verhindere. Auch könne dabei nicht als Argument herangezogen werden, regional den Handel zulasten eines neu ansiedelnden Unternehmens schützen zu wollen. Auch hier müsse Wettbewerbsfreiheit gelten.
Wenn der Zweckverband letztinstanzlich mit dieser Auffassung recht bekommt, würde das bedeuten, dass nicht nur der Möbelmarkt mit 45 000 Quadratmeter Verkaufsfläche gebaut werden kann. Zugleich würde die gesamte Architektur der Landesgesetzgebung und auch der Raumplanung mehr oder weniger gekippt, weil dann Begriffe wie „Zentrenschutz“ oder „innenstadtrelevante Ware“ gänzlich ihre Rechtswirksamkeit verlören. Stark gewichtet wären dann hingegen Begriffe wie „Niederlassungsfreiheit“, „Wettbewerbsfreiheit“ oder auch „europäischer Binnenmarkt.“