Die Weinkellerei Reh Kendermann siedelt die streng geschützten Tiere vom Kempter Gewerbegebiet aus um. Die Firma braucht Platz für denn Bau einer neuen Tankanlage.
Von Christine Tscherner
Aktuell werden rund 40 streng geschützte Zauneidechsen aus dem Gewerbepark Bingen-Ost an den Rochusberg umgesiedelt.
(Foto: Reh Kendermann)
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KEMPTEN - Reh Kendermann wächst. Doch vor dem Spatenstich zum 100-jährigen Jubiläum kommen Schlingen zum Einsatz. Zauneidechsen müssen umziehen, um Platz zu schaffen für das Sechs-Millionen-Euro-Invest im Gewerbegebiet Bingen-Ost.
Ausgerechnet das „Reptil des Jahres 2020“ fühlt sich auf den mageren Wiesen und Brachflächen des Kempter Gewerbegebiets pudelwohl. Trocken und warm mag es die streng geschützte Zauneidechse. Bahnböschungen und still gelegte Gleisanlagen sind ihr besonders lieb.
Mit dem Bingerbrücker Umbau zum Park am Mäuseturm rückte die Eidechsenart erstmals ins Binger Rampenlicht. Denn eine aufwendige Umsiedlung war bereits damals die Naturschutz-Auflage. Zuletzt kamen die Fänger mit Profiblick und Stoffsäckchen an der geplanten Park & Ride-Anlage des Hauptbahnhofs zum Einsatz.
Zurück nach Kempten: Bereits vor Monaten hat die Weinkellerei eine sonnige Parzelle am Rochusberg gekauft. Den Hang zwischen Rebzeilen ließ die Firma als Eidechsen-Eldorado herrichten: Aufgeschichtetes Holz bietet Unterschlupf, Steinhügel Sonnenplätze und Sandhaufen perfekte Kinderstuben. Bis zu zehn Profis vom Gutachter über Fänger sind an der Tierumsiedlung beteiligt.
Der Weilerer Biologe Thomas Merz als Umweltschutzingenieur gilt als erfahrener Experte. Nach seiner Schätzung umfasst die Population auf dem 26 000 Quadratmeter großen Kellerei-Baugrund rund 40 Tiere.
„Das Umsiedeln der Zauneidechsen bedeutet für den Bau zwar einen Mehraufwand. Wir freuen uns aber sehr, dadurch einen Beitrag zum Naturschutz zu leisten“, lässt sich Christoph Eß als technischer Assistent der Kellerei zitieren. Zu den Mehrkosten macht die Firma keine Angaben.
Der Zeitplan jedoch steht: Von der Vorbereitungsphase im März bis zum Fang im Mai soll der Tierumzug bis Juni abgeschlossen sein. Dann nämlich beginnen die Zauneidechsen mit der Eiablage – oberhalb von Büdesheim hoffentlich statt in Kempten. Grundsteinlegung für den Bau der neuen Tankanlage ist für Oktober angesetzt.
Am Ockenheimer Graben plant Reh Kendermann Platz für Büros, Lager und Erweiterung. Zur 100-Jahr-Feier stärkt die Firma ihren Binger Standort. Optik, Image und bessere Abläufe sind die Zielsetzung. Viel Geld floss in den vergangenen Jahren in topmoderne Abfüllanlagen und Technik. „Eine der modernsten Weinkellereien Deutschlands“ nennt sie sich stolz.
Umhausungen der Tanks schafften Kapazität für Hitzewochen – ebenfalls ein Zukunftsinvest in Zeiten des Klimawandels und für mehr Liefersicherheit. 120 Mitarbeiter beschäftigt die Kellerei in Bingen
Reh Kendermann bringt deutsche Weine in die Marktregale weltweit. Rund 70 Prozent des Absatzes spielt das Unternehmen mit deutschem Wein ein. Aushängeschild ist der deutsche Markenwein Black Tower mit rund 13 Millionen Flaschen jährlich.
Aber die Firma importiert auch im Ursprungsland gefüllte Weinmarken nach Deutschland. Lohnfüllungen am Binger Standort für internationale Unternehmen sind ein wichtiges Standbein. Reh Kendermann befindet sich in der dritten Generation im Familienbesitz. Die GmbH hat neben weiteren deutschen Standorten ihren Hauptsitz in Bingen. Sie ist größter Exporteur für Markenweine aus Deutschland, prägt damit also den Weingeschmack made in Germany.