Eisenhart – Der Binger Patrick Roos trainiert seit Monaten für den Ironman in Hawaii
Bis vor acht Jahren war er gar nicht sehr sportlich, sagt der Binger Patrick Roos. Im Oktober startet er nun beim Ironman in Hawaii. Was bewegt einen zum härtesten Rennen der Welt?
Von Christine Tscherner
Der Binger Patrick Roos hat sich einen Traum erfüllt und ein Ticket für Hawaii gelöst. Foto: Christine Tscherner
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BINGEN - Der Flug nach Hawaii ist gebucht. Patrick Roos, 40, hat sich Anfang Juli für das härteste Rennen der Welt qualifiziert: den Ironman. „Das war mein Traum, darauf habe ich neun Monate hin trainiert.“ Schwimmen, radfahren, laufen – jede Distanz für sich schon eine echte Herausforderung. Und dann auch noch hintereinander bei sengender Hitze am anderen Ende der Welt? Nein, danke. Aber in der Triathlon-Szene gilt das Ticket als Beweis für Zähigkeit und viel Disziplin.
„Bis vor acht Jahren war ich gar nicht sehr sportlich“, sagt Patrick, der frischgebackene Vize-Europameister in seiner Altersklasse. Beim Frankfurt-Ironman belegte der Binger Platz 36 von 3000 Startern, wurde zweiter seiner Altersklasse. 3,8 Kilometer Schwimmen im Langener Waldsee, danach 185 Kilometer mit dem Rad bis in den Wetteraukreis und anschließend noch gut 42 Kilometer am Main entlang laufen – dafür braucht es nicht nur eisernen Willen, sondern auch einen klaren Plan. „Angefangen habe ich mit einem Lauf für meinen Fußballverein.“ Der FC St. Pauli regte einen Fan-Lauf in Hamburg an. Spenden für den Stadionneubau sollten zusammenkommen. Das war der Startschuss. Rennen für den guten Zweck, das motivierte Patrick. Noch heute steht hinter seinem Namen der Hamburger Fußballclub in der Startliste. „Mit Bingen bringt mich deshalb kein Mensch in Verbindung.“
Dabei ist er in der Rhein-Nahe-Stadt aufgewachsen und lebt mit seiner Freundin Michelle in Bingen. Marathonläufe wurden schnell zu Patricks Leidenschaft. 2011 startete er zweimal, ein Jahr später fünfmal. 2014 kam die Herausforderung mit drei Disziplinen in halber Ironman-Distanz hinzu. Vor zwei Jahren wagte sich Patrick dann an den weltweit größten Langdistanz-Wettbewerb. „Roth mit seinen 5000 Startern, das ist schon ein Erlebnis“, sagt er. Ganz anders als beim einsamen Training daheim zählt hier Erfahrung. „Beim Schwimmen zum Start, dieses Hauen und Stechen, das ist gewöhnungsbedürftig.“ Aber das Wettkampf-Feuer war entfacht. Nicht zu löschen.
Der Binger Patrick Roos hat sich einen Traum erfüllt und ein Ticket für Hawaii gelöst. Foto: Christine Tscherner Foto: Christine Tscherner
3,8 Kilometer Schwimmen im Langener Waldsee, danach 185 Kilometer mit dem Rad bis in den Wetteraukreis und anschließend noch gut 42 Kilometer am Main entlang laufen. Der 40-jährige Binger Patrick Roos belegte beim Frankfurt-Ironman Platz 36 von 3000 Startern und wurde zweiter seiner Altersklasse. Foto: Roos Foto: Roos
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Das Klima der Inselkette im Pazifik setzt den Athleten mächtig zu
Ein Jahr später in Hamburg verpasste Patrick nur knapp den Hawaii-Slot. „Eigentlich hatte ich den Ironman für unerreichbar gehalten, aber plötzlich war es für mich möglich.“ Das neue sportliche Ziel hieß folgerichtig: Beim nächsten Frankfurt-Triathlon die Hürde für Hawaii nehmen. Denn nur weltweit 38 Wettkämpfe sind lizenziert. Warum der Hype um einen Startplatz im Pazifik so gewaltig ist? Der Ironman Hawaii ist der älteste Triathlon über die Langdistanz. Er gilt als Probe aufs Exempel für Ausdauersportler. Gesundheitssport sieht anders aus. Denn neben der Länge der Wettkampfstrecke, dem Anspruch an mentale und physische Fitness, setzt das Klima den Athleten mächtig zu: Hawaiianische Lavawüste und Ho’o-Mumuku-Winde sind unter Radsportlern berüchtigt. Auch die weitgehend schattenlose Laufstrecke ist bei über 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit kein Zuckerschlecken. Zum ersten Mal wurde das Rennen 1978 ausgetragen. Seit Mitte der 1980er Jahre ist sowohl für Amateure als auch Profis eine Qualifikation nötig.
Acht Monate Vorbereitung investierte der Binger, ließ sich von einem befreundeten Triathleten in Hamburg einen akribischen Plan schreiben. „Ich habe bis zu 25 Stunden neben der Arbeit ins Training investiert“, sagt Patrick. Pro Woche. Als Software-Entwickler arbeitet er in Wiesbaden. Vor Bürostart 1,5 Stunden schwimmen, dafür musste er ein Hallenbad mit Frühöffnung finden oder im Sommer an die Rheinkribben ausweichen. Abends noch zwei Stunden aufs Rad oder auf die Rolle und mit Krafttraining manchmal bis zu drei Einheiten täglich umfasste der Plan. Am Wochenende warteten die längeren Distanzen wie 100 Kilometer radfahren oder 30 Kilometer joggen. „Außer Montags, da stand nur eine Stunde Yoga an.“
Schlafen, Training, Arbeit, Training, Schlafen und zwischendurch Essen – an den Rhythmus hat sich Patrick Roos gewöhnt. Feiern gehen? Freunde treffen und Party bis in den Morgen? „Keine Chance, der Freundeskreis leidet in der heißen Trainingsphase wirklich.“ Ohne die volle Unterstützung von Freundin Michelle wäre die zeitliche Belastung nicht tragbar. „Das machst du einmal im Leben, einen zweiten Versuch hätte ich nicht auf mich genommen.“ Aber es hat geklappt, die Mühe wurde belohnt. Das Ziel der Quali ist für Patrick erreicht. Die Siegerehrung in der Frankfurter Eissporthalle war sein Meilenstein.
Eine Woche später haben Patrick und Michelle ihre Flüge für Oktober gebucht. Fast 30 Stunden sind sie unterwegs. Mit Zwischenstopp in Amerika geht es auf die andere Globus-Seite, auf die Inselgruppe mitten im Pazifik. Das Härterennen startet am 13. Oktober. Es ist ein boomender Wirtschaftszweig geworden, teuer für Amateure wie Patrick. Denn allein die Startgebühr kostet 830 Euro und der Radtransport im Flugzeug rund 400 Euro. Vier Wochen nimmt sich das Paar für den Sporttrip Zeit. „Sonst lohnt sich die weite Reise nicht“, sagt Patrick.
Die Sportszene, in der sich der Triathlet bewegt, ist überschaubar. Man kennt sich. Ein weiterer Binger hat sich über die Nachrücker-Liste qualifiziert. „Aber am Ende trainiert doch jeder für sich, das ist Einzelkämpfersport“, beschreibt Patrick die Schwierigkeit gemeinsamer Trainingseinheiten. Ultrasportler wie der 40-Jährige sind in Bingen keine Exoten: Läufe durch das Welterbe-Tal ließen mit 67 Kilometern bereits mehrmals Zuschauer staunen, 24-Stunden-Wandern boomt. Für die einen sind sie Ausdauer-Genies mit Mentalstärke, für die anderen schlicht Verrückte ohne Maß. Nichts für Wochenend-Spaßsportler, das steht fest. Ein körperlicher Kraftakt, ohne Zweifel. Aber die Zahl der willensstarken Ironmen in spe steigt. Personal-Trainer helfen bei der individuellen Vorbereitung. Ausrüster, Ernährungsratgeber, Zeitschriften, Lizenzen – alle verdienen am Hawaii-Traum.
„Ich habe viel am Schwimmen gefeilt“, sagt Patrick Roos. Er zeigt seinen Spezialanzug mit unterschiedlich dicken Neopren-Zonen. Andere schwören auf entscheidende Minuten im Radsattel. „Wer erfahrenen Triathleten beim Fachsimpeln zuhört, der schüttelt schnell den Kopf.“ Patricks Rad ist keine auf das Gramm austarierte Highend-Maschine. Auch sein Gewicht hat sich durch das Intensiv-Training kaum verändert, „nur anders verteilt“.
Welche Chancen er sich im Oktober ausrechnet? Immerhin sind Deutsche auf dem Siegertreppchen der „Flower Ceremony“ keine Seltenheit mehr. Jan Frodeno ist auch außerhalb der Quäl-Dich-Liga ein berühmter Name. Der Deutsche siegte 2015 und verteidigte den Titel sogar 2016. Den aktuellen Streckenrekord hält seit 2017 Patrick Lange. Er war der sechste Deutsche, der auf Hawaii gewann. Seine Siegerzeit: 8:01:41 Stunden. „Ganz ehrlich, mir geht es nur ums Mitmachen“, sagt der andere Ironman-Patrick. Der aus Bingen.