Binger Weinkellerei Reh Kendermann auf Investitionskurs
Deutschen Wein international trendiger zu machen und die Marktchancen zu verbessern, hat sich Geschäftsführer Alexander Rittlinger vorgenommen.
Von Jochen Werner
Geschäftsführer Alexander Rittlinger und Exportdirektorin Alison Flemming bei der Jahrespressekonferenz.
(Foto: Jochen Werner)
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BINGEN - Diversifikation und Risikostreuung. Diese Schlagworte nennt Geschäftsführer Alexander Rittlinger, wenn er auf die Zukunft seiner Reh Kendermann Weinkellerei zu sprechen kommt. Auf der jährlichen Pressekonferenz konstatierte er zusammen mit Exportdirektorin Alison Flemming eine Umsatzsteigerung im Unternehmen um 4,4 Prozent auf 83 Millionen Euro im Geschäftsjahr zwischen dem 1. Juli 2018 und dem 30. Juni 2019, gab zudem Ausblicke auf das kommende Jahr, in dem das Unternehmen seinen 100. Geburtstag feiert.
Der drohende Brexit ist dabei nur ein Thema. „Wir haben in verschiedenen Szenarien gedacht“, so Rittlinger. Darunter auch die, wenn etwa einige Wochen lang keine Flaschen auf die Insel geliefert werden dürften. Unter den 38 Nationen, in denen Reh Kendermann seinen Wein vertreibt, sind das Vereinigte Königreich und Irland der weitaus größte Markt, bei dem die Zusammenarbeit mit Discountern unerlässlich ist. Aber auch wenn die Situation mit einhergehendem Strukturwandel auf der Insel für das Unternehmen einschneidend sein kann, hier die Marke „Black Tower“ ähnlich wie in Schweden, Dänemark, Finnland und Kanada bezüglich des deutschen Weines „absoluten Mainstream“ bedeutet, sieht das Unternehmen, das aktuell rund 250 Menschen beschäftigt (davon gut die Hälfte in Bingen) eine weitaus größere Herausforderung auf sich und die Branche zukommen: „Die Frage ist, wie die Regale in fünf bis zehn Jahren aussehen und wo China dann steht“, wies Rittlinger darauf hin, dass die Volksrepublik in absehbarer Zeit nicht nur den größten Weinmarkt bildet, sondern auch die größte Anbaufläche hat. Der chinesische Protektionismus tue ein übriges.
Herausforderungen bestehen weiterhin im Klimawandel, in der Erwartungshaltung des Handels, außerdem in Bezug auf Effizienz und Rentabilität, wenn es darum geht, die eigenen Winzer fair zu bezahlen.
„Wir wollen modern bleiben in Denke und Tun, deutsch bleiben, heute schon Antworten für das Jahr 2030 haben“, schilderte Rittlinger. Erfolgreich sein durch die selbst gewählten Nischen. Innovativ sein mit kleinen Teams und kurzen Wegen bis zu den Entscheidungsprozessen. Die Qualität selbst bestimmen, statt nur einzukaufen. Eine ständige Qualitätskontrolle. Die Premiumisierung voranbringen und besonders in Deutschland die Potenziale ausschöpfen, maßgeschneiderte Konzepte für den Handel generieren, mit neuen Etiketten und Erscheinungsbildern weiterhin „hip“ bleiben. „Es ist wichtig, dass die Flasche im Regal hervorsticht“, erklärte Flemming. Rittlinger forderte eine unbedingt notwendige Aufwertung des allgemein etwas schwachen Images des deutschen Weins. „Es muss darum gehen, Deutschland in amerikanischen und kanadischen Regalen trendig zu halten“, sagte er, wünschte sich ähnlich wie bei den hier erfolgreichen Nationen Italien, Österreich oder Neuseeland eine Steigerung von Attraktivität und Nachhaltigkeit durch ein besseres Kommunizieren der besonderen Qualität und der Stilistik.
Reh Kendermann hat die Zeichen der Zeit erkannt, ist mit Umsatzanteilen von 49 im Inlands- und 51 Prozent im Auslandsgeschäft breit aufgestellt. Alkoholfreie Weine sind dabei ein Wachstumsmarkt, machen mittlerweile zehn Prozent am Gesamtgeschäft aus.
Im Ausland wird über die Einführung von Wein in Dosen nachgedacht. Im vergangenen Jahr investierten die Binger rund eine Million Euro vor Ort, weitere 420 000 Euro in Rumänien und rund 260 000 in Südafrika.
Im Jubiläumsjahr stehen am Binger Firmensitz gravierende Umwälzungen mit einem prognostizierten Investitionsvolumen von rund 10 Millionen Euro an. Die Tankkapazität wird hier auf über 20 Millionen Liter gesteigert, die interne Logistik neu organisiert, Zu- und Abfahrten werden verlegt. Als zweiter Abschnitt soll dann eine Modernisierung und Erweiterung des Verwaltungsgebäudes folgen. „Wenn man investiert, investiert man auch in Menschen“, kündigte Rittlinger auch Neueinstellungen an.