Besucher auf dem Rochusberg erleben drei Tage voller starker Musik und Entspannung. Das Musikangebot war vielseitig, die Stimmung friedlich und entspannt.
Von Sören Heim
Das Publikum feiert mit „Banda Senderos“.
(Foto: Sören Heim)
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BINGEN - Für manchen Festivalgänger sind das die schönsten Stunden: Am frühen Morgen, was auf einem Festival auch einmal auf die ersten Mittagsstunden fallen kann, wenn Kaffeeduft sich vielleicht schon mit Grillgeruch mischt. Oder wenn auf der Festivalwiese die ersten Stände öffnen, Helfer sich mit einem Frühstück für den Tag stärken, einige Kinder in der Sonne spielen und man, noch ganz ausgelaugt von der vergangenen Nacht, einfach einmal die Beine baumeln lässt. Da fühlt man sich so richtig aus dem hektischen Alltag herausgerissen, geradezu aus der Zeit gefallen.
Denn ein Festival wie das Binger Open Air ist mehr als drei Tage Konzert am Stück. Da wird zusammen gefeiert und zusammen gelebt. Da wird rund um die Musik ein kleiner Urlaub geplant, ob die Gäste nun von weit her anreisen und ihre Zelte bereits am Donnerstagmorgen auf dem Trimm-dich-Platz aufschlagen oder ob sie aus Bingen und Umgebung auf den Berg pilgern. Für die etwa 25 Aktiven und 120 Helferinnen und Helfer, die dafür sorgen, dass ihre Gäste drei wunderschöne Tage verleben können, ist dagegen natürlich weniger Zeit zum Entspannen. Eine knappe Woche im Vorfeld beginnen die ersten Aufbauarbeiten, während des Festivals müssen Kassen besetzt, Geld gewechselt, Lösungen für unerwartete Probleme improvisiert und Bands betreut werden. Die Technik muss rundlaufen, und das Catering hat täglich etwa 200 Personen zu versorgen.
Aber am Ende ist es das eben wert: Schon der Donnerstag mit den Elektro-Nonnen von „Hildegard von Binge Drinking“ ist so gut besucht, dass man denken könnte, es sei bereits Wochenende. Am Freitag geht die Party nahtlos weiter. Besonders „Blond“ aus Chemnitz sind ein Erlebenis, Lotta Kummer, Nina Kummer und Johann Bonitz spielen nicht einfach ihr Set herunter, sondern spielen zugleich mit ihren ironischen Ansagen mit dem Publikum, bauen sogar Sportaerobic-Einheiten in ihr Programm ein. Spätestens mit dem Titel „Spinaci“, bei dem das Publikum angehalten wird zu singen „seh ich aus wie der gottverdammte Poppey?“ hat die Gruppe den gesamten Platz hinter sich. Die gute Stimmung überträgt sich nahtlos auf den Headliner „Die Nerven“, deren Punk/Indie/Noise-Rock-Mischung zwischen tanzbar und verstörend schwankt.
Der längste Tag des Binger Open Airs ist dann traditionell der Samstag. Schon gegen elf geht es los, für das Kinderprogramm hat sich unter anderem der Bund Deutscher PfadfinderInnen angekündigt. Dessen Rollenrutsche ist für die Kleinen jedes Jahr wieder ein Höhepunkt. Und ein Theaterstück gibt es auch: „Dornröschen hat verschlafen“ lädt zum Mitfiebern und Staunen ein. Auf der Kleinkunstbühne spielen dann am frühen Nachmittag mehrere Akustik-Acts, und Basti Drumm von der „Alternative Gegenkultur Kusel“ führt interessierte Gäste in den rechtsextremen Lifestyle, die Szenecodes der Rechten und deren Musikvorlieben ein.
Dann beginnt der Abend langsam auf eine wilde musikalische Nacht zuzutreiben. „Grundfunk“ eröffnen mit Hip-Hop , es folgen „Culk“ und „Pabst“.
Zum Auftritt von „Banda Senderos“ gegen 20.30 Uhr ist dann auf der Open-Air-Wiese bereits der Teufel los. Die acht jungen Männer aus Essen wissen mit Raggea/Dancehall, der direkt in die Beine geht, fast jeden auf der Wiese zum Tanzen zu animieren. Die energetische Bühnenshow der Frontmänner Dan Brown und Sebastián Campos-Schwermann und ihrer nicht minder tanzfreudigen Instrumentalisten lässt den Funken sofort überspringen. Headliner „Heavy Lungs“ setzen dazu dann einen veritablen Kontrapunkt. Dieser Post-Punk mit Grunge und Hardcore-Einschlägen aus Bristol klingt hart, laut, verzerrt, teils regelrecht amelodisch, und peitscht die Stimmung auf der Tanzfläche noch einmal auf, ehe der Tag dann ruhiger im Bierzelt ausklingt. Ein Festival, mit dem Gäste wie Organisatoren letzlich gleichermaßen zufrieden sein können.