Eine Mitgliederversammlung der Grünen löst mit deutlichen Worten das Bündnis mit der CDU auf. Partei sieht Schuld für das Scheitern ausschließlich bei den Christdemokraten.
Von Erich Michael Lang
Reporter Rheinhessen
Karikatur: Heinrich Schwarze-Blanke
(Karikatur: Heinrich Schwarze-Blanke)
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BINGEN - Die Koalition von CDU und Grünen ist Geschichte. Die grüne Mitgliederversammlung votierte in einer außerordentlichen Zusammenkunft dafür, den Stab über das Bündnis zu brechen und die Scheidung einzureichen. Und sie tat es mit deutlicheren Worten als es Fraktion und Dezernent Jens Voll vorgeschlagen hatten.
Die Parteispitze wollte es strategisch vermeiden, in der öffentlichen Wahrnehmung aktiv derjenige zu sein, der die Partnerschaft mit den Schwarzen aufkündigt; wo es doch nach grüner Lesart die CDU ist, die durch ihr politisches Gebaren gleich mehrfach gegen den Koalitionsvertrag verstoßen hat.
Zu viel Diplomatie in der Formulierung
Der Formulierungsvorschlag lautete deshalb zunächst so: „Die Mitgliederversammlung von Bündnis 90/ Die Grünen bittet die Stadtratsfraktion, die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele und Maßnahmen weiter zu verfolgen und ab sofort alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen in ihre Vorbereitungen von Beschlüssen und die Abstimmung von Zielen und Maßnahmen gleichermaßen einzubeziehen.“
Das war der grünen Basis zu viel der Diplomatie und zu schwurbelig. Was schließlich herauskam, ließ dafür an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Die Mitgliederversammlung nimmt das Scheitern der Koalition zur Kenntnis, ausgelöst durch das Abstimmungsverhalten der CDU. Die Versammlung spricht den Mitgliedern der Fraktion, dem Beigeordneten und der Gleichstellungsbeauftragten das Vertrauen aus.“ Die ausdrückliche Erwähnung des Beigeordneten und der ebenfalls aus den grünen Reihen hervorgegangenen Gleichstellungsbeauftragten, Laura Schulz, geschah vor dem Hintergrund, dass CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Stein in der AZ Andeutungen gemacht hatte, mit dem Platzen des Koalitionsvertrages könnten auch die einst getroffenen personellen Verabredungen platzen.
Zuvor hatten Jens Voll und Fraktionsvorsitzender Roland Böse in weit ausschweifenden Gedankenkurven hergeleitet, weshalb die Grünen die CDU nicht mehr mögen. AZ-Leser waren hierbei klar im Vorteil, weil sie in den vorangegangenen Monaten bereits bis in die letzten Verästelungen über die Verstimmungen zwischen CDU und Grünen aufgeklärt worden waren. „Das Fass zum Überlaufen brachte aber das Abstimmungsverhalten der CDU zu den fünf Mobilitätsstationen“, so Böse und er sollte etwas später hinzufügen: „Auf der bisherigen Basis können wir nicht länger zusammenarbeiten.“ Die Grünen charakterisierten ihren früheren politischen Partner als unzuverlässig und unberechenbar.
Karikatur der Zusammenarbeit
Geradezu karikierend schilderte Voll, wie die CDU nach Gutsherrenart mit den Grünen verfahren sei, indem sie mit der einen Hand scheinbar noch Verhandlungen anbot, mit der anderen aber schon Pressemitteilungen zum Scheitern der Mobilitätsstationen verteilte.
Aber dennoch wurde die Runde zusehends nervöser, weil ihre Häuptlinge nicht in der Deutlichkeit auf den Punkt kamen, wie es erwünscht war. Zumal die Parteispitze mehrfach hervorhob, selbst „jede Menge Kröten“ geschluckt zu haben, um den Koalitionsvertrag vom 15. Juli 2014 inhaltlich überhaupt möglich zu machen.
Der Entwurf zur Beschlussempfehlung gab dann mehrfach Anlass zum Dazwischengrätschen. Die Mitglieder wünschten es sich gegenüber der CDU deftig und nicht diplomatisch. In der Diskussion hieß es: „Wir haben hingenommen, was man eigentlich nicht mehr hätte hinnehmen dürfen. Viel früher hätten wir reagieren müssen. Und jetzt ist Ende Gelände!“ Kassierer Mathias Michel sagte, die CDU sei rückwärtsgewandt. Neue Ideen nehme sie nicht an. Ratsmitglied Bernd Bruns analysierte mit Blick auf die Diskussion um Mobilitätsstationen: „Es geht nur darum, dem Projekt und dem Dezernenten Steine in den Weg zu legen.“
Es bahnte sich eine lange Debatte um die Frage an, was denn nun spitzfindig und was sprachlich deutlich sei. Anwesende Nichtparteimitglieder werden in der Basilika eine Dankkerze zum Wohl der VHS entzünden, denn die Schließzeit in diesem Haus, in dem die Grünen tagten, gab zwingend als Veranstaltungsende 21.15 Uhr vor. So kam die Versammlung mit einem rekordverdächtigen Schlussspurt zu einem Ergebnis.