Derzeit kein schönes Fotomotiv: der uralte Holzkran in Bingen. Foto: Christine Tscherner
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BINGEN - Noch steht das Gerüst, denn der uralte Holzkran muss durch den Sicherheitscheck. Die regelmäßige Technikprüfung erlaubt auch für mittelalterliches Gebälk keine Ausnahme. Die Stadt ließ vor dem Prüftermin gestern morsche Teile und das Seil austauschen.
Zwölf Jahre sind nicht lang. 2005 ließ die Stadt die Holzkonstruktion aus schweren Eichenbalken originalgetreu und vor allem funktionsfähig rekonstruieren. Seither kann der Kran wieder locker schwere Lasten bis zu 1,5 Tonnen heben.
Mit den Umbauarbeiten zur Landesgartenschau rückte der Kran zurück ans Wasser. Ein Becken bis zur ehemaligen Kaimauer zeichnet die einstige Uferlinie nach. Denn direkt am Wasser musste die Hebevorrichtung auch stehen. Hier war der Verladeort. Der Kran galt als Scharnierstelle zwischen dem Fluss als Transportweg und Bingen als Handels- und Lagerstätte.
Zwar hat das vorindustrielle Modell mit Muskelkraft statt Motor längst ausgedient. Aber die Aktiven der Binger Denkmalgesellschaft demonstrieren regelmäßig die Funktion des erstaunlichen Bauwerks. Das Ziel: Ein „erlebbares Denkmal“ soll ein Gespür für die Schwerstarbeit anno 1487 vermitteln. Dazu berichtet ein Kranknecht in Stadtführungen aus seinem Alltag, und die Denkmalgesellschaft öffnet den Innenraum.
Vorsitzender Martin Rector besitzt sogar einen Kranführerschein für die Uralt-Technik. Für die Bewegung der Konstruktion braucht es nämlich einen von der Berufsgenossenschaft anerkannten Nachweis als „Kranführer von historischen Radlaufkranen“ und eine technische Sicherheitsüberprüfung jedes Jahr im Rahmen der „Unfallverhütungsvorschriften“.
Bei der letzten Prüfung haben sich laut Pressestelle der Stadtverwaltung schadhafte Stellen gezeigt. Am Ausleger und auch im Inneren, wie Martin Rector weiß. „Teile wurden ausgesägt und gegen neue Eichenstücke ersetzt“, so der Vereinsvorsitzende. Auch das über 50 Meter lange Seil ließ die Stadt tauschen.
Seilrollen werden noch instandgesetzt, der Stützarm des Kranauslegers repariert sowie alle Verschraubungen kontrolliert. Ein Sicherheitsprofi für mittelalterliche Krantechnik reiste zum Prüftermin am Dienstag aus Koblenz an. Hält das Gebälk dem vollen Körpereinsatz in den beiden großen Holzrädern stand?
Regelmäßig zum Kulturuferfest, zum Welterbe- oder Denkmaltag steht Bingen fett markiert im Kalender von Technik-Fans der Region. Denn der Kran gilt als deutschlandweit einmaliges Denkmal, ein funktionstüchtiges, erlebbares Stück Handelsgeschichte am Rhein. Denn die „Autobahn des Mittelalters“ war zusammen mit Stapelrechten wichtiges wirtschaftliches Standbein der Stadt.
Vom Kran gingen Fässer mit Wein auf die Reise den Rhein hinunter. Hier lieferten Schiffe ihre Ladung mit Kolonialwaren aus fernen Ländern an. Kran-knechte, Lastenträger, Fuhrleute und Flussschiffer in Bingen verdienten hier ihr Geld. Der Umschlagplatz Hafen bescherte auch den Tavernen und Schenken Gäste mit durstigen Kehlen nach getaner Schwerstarbeit.
Die Idee bei dem teuren Invest in bewegliche Teile: Wer als Tourist einmal ein Weinfass mit purer Muskelkraft gehoben hat, der hat Respekt vorm Arbeitsalltag im Mittelalter. Schweißtreibend bleibt Erkenntnisgewinn besonders gut haften; Bingen bietet die Basis dazu. Denn am Rhein existieren zwar noch drei alte Kräne und deutschlandweit zwölf. In Bingen steht aber der einzige mit beweglichen Teilen.
„Deshalb ist es wichtig, die Funktionsfähigkeit zu erhalten“, betont Oberbürgermeister Thomas Feser, CDU. Auch wenn die Reparatur mit wahrscheinlich 10 000 Euro zu Buche schlagen wird. „Ende April sollen die Arbeiten abgeschlossen sein“, sagt der OB. Dann taugt der Kran wieder als Fotomotiv.