Bauprojekt am Binger Fruchtmarkt umschifft die Klippen
Das Struthsche Barockhaus soll saniert und in ein Ensemble mit einem Neubau der Sparkasse gestellt werden. Haarscharf kam das Projekt im Ausschuss um ein Scheitern herum.
Von Erich Michael Lang
Reporter Rheinhessen
Der dem Sparkassenneubau vorgelagerte Pavillon (Mitte) ragt in die Blickachse zum freigestellten Struthschen Haus hinein. Das war der Streitpunkt. Der Betrachter, der vom Fruchtmarkt kommt, hat allerdings freien Blick auf das Barockhaus. Nun soll der Neubau samt Pavillon um einen Meter versetzt werden, um die Blickachsen noch zu vergrößern. Darstellung: Wohnpark Heidesheim-Uhlerborn
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BINGEN - Das war knapp. Um ein Haar hätte der Planungsausschuss die Sanierung des Struthschen Hauses samt der angrenzenden Bebauung in die Tonne getreten. Der Abend zog alle Register der parlamentarischen Dramaturgie, bis hin zur Sitzungsunterbrechung. In der Arena rangen die alten, kampferprobten Gladiatoren miteinander: Auf der einen Seite die Kommunalpolitik, auf der anderen der Investor. Nur diesmal war es so, dass sich gegenseitig die Waffen bloß gezeigt wurden; die alten Recken hieben nicht aufeinander ein. Man kennt sich eben.
„Moderne und kompakte Räumlichkeiten“
Für die Investorenseite sprach Dirk Gemünden, zu dessen Gruppe auch die Wohnpark Heidesheim-Uhlerborn zählt, ein gemeinsames Töchterchen mit der Sparkasse Rhein-Nahe, die wiederum an der Bebauung am Fruchtmarkt ein geradezu existenzielles Interesse hat und deshalb wenig geneigt ist, auf Kompromisse einzugehen. „Wir müssen so bauen“, sagte Gemünden. Der Partner Sparkasse gebe es vor, der von der Mainzer Straße zum Fruchtmarkt neben das Struthsche Haus umziehen möchte. Die Banken seien aufgrund der Entwicklung in der Branche auf moderne und kompakte Räumlichkeiten angewiesen. Die reine Grundfläche reiche am Fruchtmarkt nicht. Deshalb sei ein Pavillon dem Gebäude vorgelagert; im nun fünften Entwurf aus Stein und nicht mehr aus Glas, was sich in das Gesamtensemble besser einfüge, so Gemünden. Nur mit dem Neubau für die Sparkasse sei auch das barocke Struthsche Haus im Gesamtpaket zu finanzieren. Mit anderen Worten: ein Junktim. Zieht der Ausschuss nicht bei der Gesamtbebauung des Areals mit, wird es auch nichts mit der Sanierung des Barockhauses. Ein Schandfleck für eine weitere kleine Ewigkeit. „Es hat nichts mit Druck zu tun; es ist eine dringende Bitte“, sagte Gemünden.
Und dann Feuer frei für die Sprecher der Fraktionen. Reihum angefressen waren alle, weil der Ausschuss seinen einstimmigen Beschluss mit einem Forderungskatalog zu dem Projekt ignoriert sah. „Zum Erstentwurf hat sich nichts verändert“, so SPD- Fraktionschef Philipp Staudinger. Die Kurve zu einer Lösung der zunehmend festgefahrenen Situation nahm Jürgen Fechtenkötter (CDU) mit dem Vorschlag, das Gebäude nach Westen, also Richtung Bingerbrück, um einen Meter zurückzunehmen, sodass die Blickachse zum Struthschen Haus größer wird. „Einen Anbau darf es auf keinen Fall geben“, meinte dagegen Dr. Till Müller-Heidelberg (SPD). CDU-Fraktionschef Michael Stein gab zu bedenken: „Es ist eine deutliche Aufwertung für den Bereich. Alles, was gemacht wird, ist ein Gewinn gegenüber der heutigen Situation.“ Auch Elisabeth Gräff (CDU) setzte sich mit Nachdruck für das Vorhaben ein. „Das ist alles dreimal besser als jetzt. Wir dürfen den Investor nicht vergraulen.“ Roland Böse (Grüne) sprach von einer sensiblen Stelle. Ihm sei es lieber, das Gebäude gehe mehr in die Höhe als in die Breite, um Flächen zu sichern. Peter Eich (FDP) klagte über „Bauchweh“. Das konnte ihm Dirk Gemünden im Hinblick auf die Parksituation insofern nehmen, als es ja rückwärtig das CityCenter mit der großen Tiefgarage gebe. Hans-Jürgen Klöckner (FWG) schließlich prophezeite, wenn das jetzt nichts werde, könne die Stadt weitere 40 Jahre warten, bis sich was tut. „Wir können mit dem Entwurf leben.“
Oberbürgermeister Thomas Feser empfahl, die Sache pragmatisch wie den Hotelneubau am Rhein zu betrachten. Er habe den Investor ebenfalls nach Bingen geholt und es gebe am Fruchtmarkt schlicht keine Alternative.
Es folgte die Sitzungsunterbrechung. Die einen zogen sich in der Burg zurück, die anderen gingen hinaus in den Innenhof. Dann die Entscheidung: Die SPD zeigte sich einverstanden, das Gebäude einen Meter zurückzunehmen. Es müsse dann aber auch der Pavillon einen Meter in Richtung Bingerbrück wandern. Und plötzlich waren sich alle einig. Dirk Gemünden sagte, er sei damit einverstanden, müsse aber nochmals mit der Sparkasse reden. Reihum Erleichterung und ein einstimmiger Beschluss zu dem Objekt.