Bei der Klausurtagung schließen sich Bingen, Kempten und Gaulsheim zusammen. Ein gemeinsamer Vorstand wird sich mit einem neuen Gottesdienstangebot befassen, um Einheit zu stärken.
Von Christine Tscherner
Die Basilika im Herzen der Stadt ist ein katholisches Wahrzeichen. Doch schwindende Gottesdienstbesucher regen das Dekanat Bingen zum Umdenken an.
(Foto: Christine Tscherner)
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BINGEN - Die Klausurtagung hat den Blick geweitet. Der erste gemeinsame Vorstand steht: Katholiken aus Bingen, Gaulsheim und Kempten raufen sich zusammen. Denn sie stecken mitten in einer Umbruchzeit. Der neue Vorsitzende Jan Frerichs und Pfarrer Markus Lerchl erläutern die Ergebnisse.
An der Situation lässt sich wenig ändern: Immer weniger Gottesdienstbesucher, fehlender Priesternachwuchs, aber Immobilien und Orgeln in jedem Stadtteil, die horrende Sanierungskosten verschlingen. Insgesamt 5000 Schäfchen gehören bislang zum Verbund. „In Zukunft wird es auf 2,5 Priesterstellen für Bingen mit Kempten und Gaulsheim plus Büdesheim und zehn bis zwölf Kirchen hinauslaufen“, rechnet Lerchl vor. Das gesamte Dekanat Bingen bestehend aus zwei Pfarreien in ein paar Jahren, das empfinden viele Katholiken als fundamentalen Schnitt.
Kempten und Gaulsheim als „die Kleinen“ der bisherigen Pfarrei Bingen plagen die größten Zukunftsängste. Wo werden Kommunionskinder vorbereitet, wann gibt es noch Gottesdienste und werden ihre Baustellen überhaupt gehört? Ungewöhnlich bereits der Auftakt des zweitägigen Treffens: Pfarrer Lerchl hatte in die Rettungswache Corneli eingeladen. „Ich wollte bewusst einen anderen Ansatz.“ Am Folgetag lernten die Vertreter aus drei Verwaltungsräten, aus den Kindergärten, Diakon, Priester und Pfarrgemeinderäte von erfahrenen Fusionsgemeinden. In Eibingen informierte sich die Delegation über die Heilig-Kreuz-Gemeinde. 13 Kirchen sind dort zu einer Rheingau-Pfarrei zusammengefasst.
Die Erfahrung: Viel Verantwortung bleibt in den einzelnen Orten. Größere Einheiten schaffen auch Freiräume und entlasten durch ein gemeinsames Pfarrbüro von Bürokratie. „Ganz wichtig war im Rheingau die innere Annahme, dass eine größere Pfarrei anders werden darf“, sagt Lerchl. Für Jan Frerichs blieb Entwarnung hängen: „Die größere Einheit muss kein Horrorszenario sein.“ Der Gaulsheimer wurde zum Vorsitzenden des neuen Vorstands gewählt, Celia Karst aus Bingen und Dr. Andreas Hemmersbach aus Kempten sind seine Stellvertreter im ersten gemeinsamen Vorstandsgremium.
„Die Skepsis war spürbar, aber die Hoffnung überwog“, fasst Frerichs seinen Eindruck zusammen. Für bessere Kommunikation und Gerechtigkeitsempfinden scheint die Klausurtagung das Fundament gelegt zu haben. „Es ist ja kein Geheimnis, dass in den vergangenen Jahren viel Vertrauen verspielt wurde“, sagt Frerichs offen. Der ganz große Wurf war das Treffen sicher noch nicht.
„Aber die Pfarrgemeinderäte haben sich persönlich gut kennengelernt“, sagt Lerchl. Kleinschrittig soll an der Vision, an Aufgabe und Sendung gearbeitet werden. Das nächste gemeinsame Treffen ist für den 5. März angesetzt. Eine neue, zunächst provisorische Gottesdienstordnung wird in der zweiten Jahreshälfte weitere Pflöcke einschlagen.
„Ich kann mir einen Gottesdienst für das gesamte Gebiet vorstellen, der aber von Ort zu Ort wandert“, sagt Lerchl. Ostermontag könnten alle drei Gemeinden auf einen Spaziergang hinauf zum Rochusberg einladen werden; den Dreikönigstag als Neujahrsempfang in der Dreikönigskirche feiern, den Martinstag gemeinsam in der Basilika, zum Gaulsheimer Ortsjubiläum Kirchenkraft im kleinsten Binger Stadtteil bündeln – Anfänge sind gemacht.
„Vielleicht ist ein Shuttle-Angebot für Kirchgänger schlauer als das Festhalten am Pflichtgottesdienst vor Ort“, durchbricht Frerichs Denkverbote. Von der Gottesdienstorganisation, der Aufgabe von Ortsausschüssen bis zu einem gemeinsamen Pfarrblättchen listet er Punkte auf. „Die Rheingauer haben uns Mut gemacht“, so sein Fazit.
Was Pfarrer Lerchl zumindest für die nahe Zukunft nicht sieht, sind Kirchenverkauf oder Livestreaming-Gottesdienste wie aus dem Kölner Dom. Die Kapuzinerkirche bietet für Bettlägerige im Krankenhaus die Technik an. „Sag niemals nie“, kommentiert Lerchl. Gemeinsam an einem Strang ziehen, alle in die gleiche Richtung, das beschreibt er als sein Bild für die Binger Katholiken-Zukunft.