Gerhard Fleck und seine Frau Anni gehen in den Ruhestand – auf ihre Spezialitäten müssen Dromersheimer aber nicht verzichten.
Von Christine Tscherner
Tobias Lennarz (links) übernimmt den Verkaufsraum von Gerhard und Anni Fleck. Er eröffnet hier eine Filiale und übernimmt Rezepte, Sortiment und die meisten Mitarbeiter.
(Foto: Christine Tscherner)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
DROMERSHEIM/GENSINGEN - Die Firma Stamm übernimmt: Nach über 50 Jahren in der Backstube ist für Gerhard Fleck (64) am kommenden Sonntag Schluss mit Brot und Kuchenbacken. Ruhestand steht für den Bäckermeister und seine Frau Anni (63) an. Familie Lennarz eröffnet am 28. Februar im Dromersheimer Verkaufsraum eine Filiale. Sie übernimmt Rezepte, Sortiment und die meisten Mitarbeiter.
Aufatmen liegt in der Luft. Ein Dorf ohne Bäcker klingt nach Abgesang auf die Infrastruktur. „Unsere Angestellten sind alle seit Jahrzehnten, der längste 41 Jahre, bei uns“, sagt Gerhard Fleck. Einfach schließen, weil keine Kinder da und kein Nachfolger in Sicht ist? Das kam für das fleißige Handwerkspaar nicht in Frage. Ein Dutzend Menschen stehen bei den Flecks in Lohn und Brot.
„Vor fünf Jahren waren wir mit der Bäckerei Stamm schon in Kontakt“, erinnert Gerhard Fleck an den Impuls der Handwerkskammer. Tobias Lennarz suchte für die Expansion seines Binger Familienbetriebs vor allem größere Produktionsfläche. „Mit 40 Quadratmetern in der Salzstraße war das Limit erreicht“, sagt Diplom-Ökonom Lennarz.
Vor knapp drei Jahren hat er offiziell die Führung des Traditionsbetriebs übernommen – mit ziemlich ungewöhnlicher Vita. „Mehlstaub-Allergie macht mir die Arbeit in der Backstube unmöglich“, sagt Lennarz (36). An einen Einstieg in das Familienunternehmen war also eigentlich nicht zu denken. Er entschied sich für eine kaufmännische Lehre, studierte.
Aber vier Generationen Aufbau an den Nagel hängen? Schließlich hatte sich die Stamm-Backstube mit Vollkorn-, Bioland- und möglichst ursprünglichen Produkten erfolgreich eine Nische im Aufwind geschaffen. „Eigentlich war meine Neurodermitis als Kind die Basis für die Vollkorn-Philosophie der Bäckerei“, sagt Lennarz.
Die Stamm-Bäckerei baute 2016 im Gewerbegebiet ihre Produktion neu auf, entwickelte ein Gastrokonzept für 60 Sitzplätze und trumpft mit frischem Frühstück auf – eine siebenstellige Investition insgesamt. „Unsere Außenwahrnehmung hat sich seither völlig verändert“, sagt der Stamm-Chef. Weder in Backstube noch im Verkauf habe er Nachwuchsprobleme. „Es gibt nicht unendlich viele Azubis, und durch Boehringer in der Nachbarschaft liegt der Fokus der Jugendlichen nicht gerade auf dem Handwerk.“
Aber regelmäßig prüfungsbeste Absolventen und intensive Förderung sprechen sich anscheinend herum. „Wir werden nicht mehr als der kleine Bäcker gesehen.“ 60 Mitarbeiter hat sein Betrieb, liegt mit seinem Filialnetz aber am Limit der Branche für Mindestgröße. Der gegenläufige Trend meist in Ballungszentren: Ein-Mann-Bäckereien mit Spezialsortiment und Start-up-Charme. „Auch das kann funktionieren.“
Mit der Übernahme des Fleck-Verkaufsraums wird Dromersheim zur sechsten Stamm-Filiale. Was Fleck-Kunden besonders interessiert: Auch künftig wird es Dromersheimer Bestseller vom Hubertusbrot bis zum Malzbier-Hörnchen weiter geben. Schlau: Seit November laufen beide Bäckerei-Sortimente bereits parallel.
Was ist mit Stadtteil-Spezialitäten wie der Eisweintorte? „Sie ist aufwändig in der Produktion und zusammen mit den Lizenzgebühren haben wir daran noch nie etwas verdient“, sagen die Flecks. Über das Curry-Vital, ein Erfolgsrezept mit großer Fangemeinde, verhandeln die Partner noch. „Fünf Jahre hat es gedauert,bis wir das Patent durch hatten“, erinnert Gerhard Fleck. Die Chance auf Einigung sei aber hoch.
Am Altweiber-Donnerstag (28. Februar) öffnet die Stamm-Filiale an der Rheinhessenstraße mit Backwaren beider Familien. Auch weiterhin würden lokale Lebensmittel der Grundversorgung im Verkaufsraum angeboten. „Eventuell werden wir mit ein paar Bioland-Artikeln das Sortiment sogar ausbauen“, so Tobias Lennarz.
Der frisch gebackene Vater will keinen harten Schnitt. Den Testlauf der Zusammenarbeit haben die Firmen bereits im Januar bestanden. „Als unser Backofen kaputt war, hat uns Lennarz in Gensingen innerhalb von einer halben Stunde Platz in der Backstube zur Verfügung gestellt“, lobt Anni Fleck.
Ihre eigene Backstube wird mit dem Ruhestand überflüssig. Ein Konditor aus Mainz mietet Räume. Hochzeits- und Motiv-Torten werden künftig in Dromersheim produziert, wo Berliner, Montagsbrot und Schlemmerstreusel heute noch auf den Blechen liegen. Am 24. Februar ist letzter Fleck-Backtag.