Schiffstaufe für „Current Worker“: Der in Bingen gebaute Katamaran, mit dem Turbinen verankert werden können, wird am Freitag ins Rheinwasser gelassen. Nach einer Testphase soll so Strom aus der Strömung gewonnen werden.
BINGEN - Glückliche Pioniere: Nach vielen Monaten Schweißarbeit ist der 22-Tonnen-Koloss getauft. Der „Current Worker“, eine 18 Meter lange Arbeitsplattform für das Verankern von Strombojen im Rhein, kann am Freitag ins Wasser gehoben werden. Am Wochenende dankten Norbert Burkart und Christian Hanne am Winterhafen allen Helfern, Unterstützern und Geldgebern von Mittelrheinstrom.
Radfahrer stoppen am Fähnchen geschmückten Riesen-Katamaran. Zeichnungen an den Rümpfen erklären schematisch wie Strom aus Flusswasser gewonnen werden soll. „Genial simples Prinzip, warum ist da nicht schon längst jemand drauf gekommen?“ Zaungast Manfred Schuler reiht sich unter die 150 geladenen Gäste.
Ganz viel Durchhaltevermögen war bis zur Schiffstaufe nötig. „Seit 2011 sind wir am Thema Stromboje dran“, schaut Christian Hanne zurück. Der gelernte Schmied baute seit Oktober am Metall-Koloss direkt an der Autofähre. Neugierige Nachfragen gehörten zur Routine. Der Katamaran ist Teil einer Deutschland-Premiere. Strom aus der Fließgeschwindigkeit des Rheins gewinnen, das ist die Idee. Den 360 000 Euro teuren Kat braucht die Firma, um Turbinen im Flussbett zu verankern und zu warten. „Ein Vormodell kommt im Mai“, kündigt Norbert Burkhart an. Wenn das in Position sitzt, beginnt das Fisch-Monitoring. Auf Lachs- und Aaalwanderung liegt das Hauptaugenmerk. Die beiden Männer rechnen noch mit drei Jahren bis zur Volllast der Stromgewinnung.
Hanne und Burkart arbeiten mit langem Atem an ihrer Vision. Der Bad Sobernheimer und der Binger leisten Pionierarbeit. Der erste Energiepark in Deutschlands längstem Fluss, das ist der Plan. Mit der Schiffstaufe ist die nächste Hürde genommen. Wasserkraft für umweltfreundliche Energiegewinnung dafür investiert das Duo viel Zeit, Energie und Geld.
Burkart ist der Genehmigungsexperte, Hanne der Technik-Spezialist. Beide sind Geschäftsführer der Mittelrheinstrom UG & Co KG. 20 Kommandatisten als Kapitalgeber für eine halbe halben Million Euro konnten bislang gewonnen werden. Ein Nachrangdarlehen zur Finanzierung der nächsten Strombojen ist aufgelegt.
Der Binger Riesen-Kat wird nach St. Goar wegen der Nähe zum ersten Energiefeld umziehen. Das Prinzensteiner Fahrwasser nahe des Loreleyfelsens gilt als ideal. Es ist ein von der Berufsschifffahrt nicht genutzter Rheinarm, dennoch strömungsstark genug und selbst bei Niedrigwasser tief genug. Unterhalb der Wasserlinie sollen 16 große Turbinen Fließgeschwindigkeit in nutzbare Energie umwandeln. Die Kraftwerke mit 2,5 Meter Rotordurchmesser bilden die Basis der Anlage. Der in Bingen gebaute Spezial-Katamaran hilft bei der Verankerung im Flussgrund und der regelmäßigen Wartung.
Ein großes Lob ernteten Hannes Metallbauer. Mitte vergangenen Jahres startete in Bad Sobernheim die Fertigung. Seit Oktober wuchs der Kat auf dem Gelände des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes direkt an der Binger Autofähre. Einen Monat vor der Taufe dann der Unfallalarm: Hannes rechtes Handgelenk wurde von einer Metallklappe schwer verletzt. „Freunde springen ein, wenn es wirklich eng wird. Das war eine schöne Erfahrung.“
Burkart erklärt Neugierigen, wie die Bojen im Flussgrund verankert sein werden. „Wir bohren bis zu acht Meter tief in den Felsen.“ Ein Spezialistenteam aus Österreich übernimmt den Job am Rhein. Das Nachbarland gilt als Vorreiter für Flussstrom. Ideengeber und Hersteller der Bojen, Fritz Mandl, reiste für das Fest von der Donau an den Rhein. In seiner Heimat sind die ersten Flusskraftwerke in Betrieb.
400 000 Kilowattstunden jährlich soll jede Boje am Mittelrhein produzieren. Weitere Standorte hat die Binger Firma bereits im Blick.