Die Sportler der Rudergesellschaft zieht’s auch im Winter aufs Wasser. Dieses Jahr hatte der Verein mit monatelangem Niedrigwasser zu kämpfen.
Von Christine Tscherner
Rudern ist ihre Leidenschaft: Jugendgruppe am Rennboot (dahinter Erwachsene im Vierer) vor dem Mäuseturm und der Ehrenfels.
(Foto: Christine Tscherner)
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BINGEN - Die Hornhaut verrät ihre Leidenschaft: Ruderer arbeiten mit den Händen. Sie gehen in die Wintersaison. Zum Abrudern lud der Verein aufs Wasser und holte den Achter aus der Bootshalle. Wie die Rudergesellschaft mit dem monatelangen Niedrigwasser zurechtkam? Die AZ traf Aktive und Vorstand am Rhein-Nahe-Eck.
Die Rampe ragt bedrohlich schräg ins Wasser. Der Rheinpegel meldete Minusrekord. „So oft Begleitboot wie in dieser Saison bin ich noch nie gefahren.“ Benedikt Heuser als Trainer rechnet zurück. Seit April kann die Rudergesellschaft ihr Trainingsrevier nicht mehr befahren. Denn eigentlich bestimmen dienstags und donnerstags die schnellen Boote auf der Nahe das Bild.
Doch der Nebenfluss des Rheins ist seit Monaten nur noch ein Rinnsaal. Selbst der geringe Tiefgang eines Sportbootes braucht mehr als Sand und Geröll. Heuser kann das Nahe-Revier mit dem Rad in Rufweite der Boote begleiten. „Bei hohem Wasserstand geht es zwei Kilometer bis Münster-Sarmsheim hinauf.“ Ideal.
Auf dem Rhein braucht der Trainer das Begleitboot. Und den Rhein teilen sich die Ruderer nicht nur mit Anglern. Fracht- und Touristenschiffe vor der Rüdesheimer Aue, dazu die Motoryachten, ordentlich Wellengang und oft Wind – all das ist nur für erfahrene Sportler ein Terrain.
„Mit Anfängern sind wir in den Binger Winterhafen ausgewichen“, sagt Vereinsvorsitzender Matthias Baum. Aber nach wenigen Zügen endet dort der Spaß und Wenden ist angesagt. Weil Trainingswasser fehlte, war es ein schwieriges Jahr für den Verein.
Die ganz großen Meisterschaftssiege und Spitzen fehlten in diesem Jahr. „Dafür haben wir im Moment eine gesunde Breite und eine wirklich starke Vereinsjugend“, konstatiert Baum zufrieden. Von den stabilen 220 Mitgliedern sind rund 50 aktiv auf dem Wasser. Auf die Jugendgruppe mit engem Zusammenhalt ist der Verein stolz. „Klar, bei uns können keine Sechsjährigen starten“, sagt Baum. Sicher schwimmen können ist wichtig, die Koordination der Körperteile ist nicht ganz leicht und eine Mindestgröße erforderlich. Zwölf Jahre gilt als Untergrenze.
Paddel heißen Skulls und ihre Wettfahrt Regatta: Rudersportler haben vor über 100 Jahren das Rhein-Nahe-Eck als Revier für sich entdeckt. Nicht so verletzungsintensiv wie manche Ballsportart, ein Workout für den gesamten Körper und zudem vor einmaliger Naturkulisse, das zieht. Rudern bietet außerdem das Wir-Gefühl eines Teamsports.
Allein der Transport der 100 Kilo schweren Doppel-Vierer hinaus zum Steg fordert den Einsatz vieler Hände.
Skulls rasten ein, im Gleichtakt auf die Rollbretter klettern, Gleichgewicht austarieren – das gelingt Anfängern im breiteren Gig-Boot noch deutlich leichter als in den schmalen Rennbooten. Die vereinsinterne Regatta beim Abrudern hatte durch Hunderte Mäuseturm-Touristen so viele Zuschauer wie selten.
Der Binger Verein verfügt über eines der exklusivsten Bootshäuser in Deutschland: Direkt am Rhein-Nahe-Eck, 1954 erbaut, gern von Hochzeitspaaren und für schicke Feste gemietet. Im Erdgeschoss lagert das Kapital: 30 Ruderboote, davon schnelle 20 Rennboote. „Auf den Achter sind wir richtig stolz“, sagt Baum. Der Neupreis solch eines Prestigebootes liegt auf Höhe eines guten Mittelklasse-Wagens.
Wer sich für den rasanten Wassersport mit dem Rücken voran interessiert: Die Binger Rudergesellschaft bietet regelmäßig Schnupperkurse für Jugendliche und Erwachsene an. Wochen-Wanderfahrten über Deutschlands Flüsse, Heringsessen oder Nikolausfeier gehören zum Ritual. Nachwuchssorgen kennt die Rudergesellschaft nicht, allerdings fehlt wie in vielen Vereinen die Mitte, die 35- bis 50-Jährigen.
Übrigens setzt das Abrudern keinen Schlusspunkt unter die Freiluftsaison. „Wenn’s nicht gerade 15 Grad Minus hat, treffen wir und jedes Wochenende auf dem Wasser“, sagen die Jugendlichen. Zwiebeltechnik bei der Sportkleidung ist bei kühlen Temperaturen Pflicht, aber Handschuhe tabu. „Spätestens nach drei Kilometern sind die Hände ohnehin warm“, weiß Matthias Baum.