Was ist während der Nazi-Zeit auf dem Kuhberg geschehen?

Die Baracke auf dem ehemaligen THW-Gelände am Kuhberg ist eines der letzten baulichen Zeugnisse der Nazi-Zeit in Bad Kreuznach. Bevor sie abgerissen wird, sollten einige Fragen geklärt werden, fordert der pensionierte Pfarrer Michael Henke. Foto: Wolfgang Bartels
© Wolfgang Bartels

Eine alte Holzbaracke auf dem ehemaligen THW-Gelände weckt die Neugier des pensionierten Pfarrers Michael Henke. War es ein Lager für Luftwaffenhelferinnen oder gar für Häftlinge?

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BAD KREUZNACH. Es ist nur eine uralte Holzbaracke. Rostrot angestrichen. Einige Fenster kaputt. Die Türen nicht verriegelt. Innen drin Ölöfen, die schon lange nicht mehr geheizt haben. Die Baracke steht hinter einem verrosteten Zaun auf dem ehemaligen Gelände des Technischen Hilfswerks auf dem Kuhberg. Doch sie hat die Neugier von Michael Henke, Pfarrer im Ruhestand und Mitglied der Grünen, geweckt. Er will wissen, was über all die Jahre in dieser Baracke geschehen ist. Vor allem: Hat es dort auch Dinge gegeben, über die man in den frühen Jahren des Nachkriegsdeutschlands nicht so gerne sprach? Henke meint dazu: „Es gab einmal eine Zeit, da waren solche Baracken typisch für Deutschland. Das ganze Land war damit überzogen. Vom Reichsarbeitsdienstlager bis zum Lager für Zwangsarbeiter, vom Straflager bis zum KZ.“ Nazi-Deutschland war großdeutsches Barackenland.

Jahrzehntelang wuchs das Gras auf dem Kuhberggelände, auch über all das, was dort früher einmal geschehen ist. Das THW hat die Nutzung längst aufgegeben, inzwischen gehört das Gelände dem Bund – genauer: der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Bei dieser könnten sich Kaufinteressenten melden. In den vergangenen Jahren tat das keiner.

Aber nun scheint Bewegung in das fast vergessene Areal zu kommen. Das Stadtbauamt will dort im Quartier „Wald.Stadt.Süd“ das „Wohnen der Zukunft“ realisieren, aber offenbar, ohne sich noch groß um das „Wohnen der Vergangenheit“ zu kümmern. Beim Aufstellungsbeschluss im Stadtrat in der vergangenen Woche mahnten die Grünen: Das Gelände habe auch „eine historische Dimension“.

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Denn wer hat einst in dieser Baracke gewohnt? Das ist die Frage, die Michael Henke und einige Mitstreiter umtreibt. In einem dicken Buch über „Das nationalsozialistische Lagersystem“ hat er einen Eintrag gefunden, in dem die Besatzungsmächte für Bad Kreuznach ein „Civilian Workers Camp“ mit 1305 Personen auf dem Kuhberg verzeichnen. Damit ist ein Lager für Fremdarbeiter gemeint, die sich nicht freiwillig in Nazi-Deutschland aufhielten. Der Bad Kreuznacher Historiker Dr. Martin Senner spricht von einem Lager für „Displaced Persons“. So nannte man nach Kriegsende jene Fremd- und Zwangsarbeiter, die zwar plötzlich in Freiheit, aber trotzdem ohne Heimat waren. Der THW-Ortsverband, der das Gelände mit der Baracke seit 1957 genutzt hatte, nennt noch einen ganz anderen Zweck. In seiner Chronik heißt es: „Mitten zwischen Kiefern und Eichenbäumen standen die alten Baracken eines ehemaligen Nachrichtenhelferinnen-Lagers, welches nach dem Krieg Polen und Aussiedler aufgenommen hat.“ In diversen Internet-Foren ist auch von „Luftwaffenhelferinnen-Schule“ die Rede. Wie auch immer. Das alles möchte Michael Henke geklärt haben, bevor die letzte der Baracken für immer abgerissen wird: „Es ist ja auch möglich, dass Gefangene und KZ-Häftlinge dort untergebracht waren, wie in vielen ähnlichen Baracken auch. Sicher war es nach dem Krieg angenehmer, von Luftwaffenhelferinnen anstatt von Gefangenen zu reden.“ Eine weitere Frage bewegt den Pfarrer im Ruhestand: Sollte solch ein Bauwerk, das so typisch ist für das Dritte Reich, nicht unter Denkmalschutz gestellt werden? Sicher passe es nicht zu den vielen bürgerlichen Villen der Rheingrafenstraße, die den Weg in die Denkmalliste gefunden haben. Doch im Landesdenkmalgesetz heiße es: „Denkmäler überliefern Geschichte und machen sie anschaulich.“ Deswegen schlägt Michael Henke vor, bei der Planung eines neuen Wohnareals auch die historischen „Altlasten“ zu klären und zumindest darüber nachzudenken, ob die alte Holzbaracke als Zeitzeugnis zu gelten hat.