Nach Abschiebung: Einsatz für früheren Klassenkameraden
In Waldböckelheim setzen sich Schüler für ihren früheren Mitschüler ein. Mittlerweile ist er mit seiner Familie wieder dort, wo die Flucht-Odyssee vor Monaten begann – in Syrien.
Von Simone Mager
Georg (2.v.l.) mit seiner Schwester Mari und seinen Eltern.
(Foto: Marina Krolla-Bohr)
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WALDBÖCKELHEIM - Leyla erinnert sich genau: „Es war am 22. März um sechs Uhr morgens. Das war ein Freitag.“ Später an diesem Tag bleibt in der sechsten Klasse an der Geschwister-Scholl-Schule in Waldböckelheim ein Stuhl leer. Es ist der Platz von Georg Danian. Der Syrer war mit seiner Familie abgeschoben worden. Eine Stunde Zeit zu packen, dann wurden Georg, seine kleine Schwester Mari und seine Eltern nach Armenien gebracht.
Seither sammeln seine ehemaligen Mitschüler Spenden und Unterschriften und setzen sich für die Rückkehr der Familie ein.
„Wir waren alle traurig, und es gab Tränen“, erinnert sich Leyla. Georg besuchte seit etwa einem Jahr die Realschule plus und war sogar Sieger im Vorlesewettbewerb geworden. „Er war ein guter Schüler, ein guter Klassenkamerad, ein guter Freund, hilfsbereit und mit Luca sogar Bester in Mathe“, beschreibt Leyla. Ihr Mitschüler Dennis ergänzt: „Er war als Regelwächter und Streitschlichter eingesetzt, offen und hilfsbereit, hatte immer gute Ideen, und in der Gruppenarbeit hat er eine Eins bekommen.“ Die Klasse sitzt in einem Halbkreis mit den Lehrern Anastasia Haak, Astrid Becker und Oliver Schneiß. Die Schüler wirken bedrückt, einige sagen nichts, hören nur zu, aber auf ihren Gesichtern lässt sich Enttäuschung ablesen. Seit der Abschiebung haben Georgs Mitschüler in Waldböckelheim rund 300 Unterschriften sowie Spenden für die Familie gesammelt – in der Schule, in Vereinen, in ihren eigenen Familien. Statt Schülerkiosk wird es am Freitag einen Kuchenverkauf geben, um weitere finanzielle Unterstützung für die Familie zusammen zu bekommen.
Über WhatsApp versuchen die Kinder, Kontakt zu Georg zu halten. Einen „Daumen hoch“-Emoji erhielt sein Mitschüler Dennis auf die Frage, ob es ihm gut gehe. Doch das ist jetzt schon einen Monat her. Kurz nach der Abschiebung ließ Georg seine Klassenkameraden wissen, wie traurig er ist und dass er wieder zurück nach Deutschland möchte. Georgs Vater ist schwer nieren- und herzkrank und auf medizinische Hilfe angewiesen. Marina Krolla-Bohr ist mit der Familie befreundet, hat weiter Kontakt zu Georg und zeichnet den Fluchtweg nach: Die Familie war aus Syrien über Armenien in die EU eingereist, lebte dort drei Jahre ohne echte Perspektive, ohne Arbeit und ohne Chance auf Bildung für ihre Kinder. Über Österreich gelangten sie nach Deutschland und kamen über Trier nach Waldböckelheim. Von dort wurden sie nach geltendem Recht und Gesetz nach Armenien abschoben, weil sie neben der syrischen auch die armenische Staatsbürgerschaft besitzen. In Armenien hielt sich die Familie jedoch nur kurzzeitig auf. Nach Information von Krolla-Bohr sind sie Ende Mai wieder nach Aleppo in Syrien zurückgekehrt. „In ihrer alten Wohnung können sie wenigstens kostenlos leben. Sie hören die Bomben von den Kämpfen in der Nähe. Georg schildert, dass seine Schwester Mari Angst vor den vollverschleierten islamistischen Frauen hat und immer fragt, wie lange sie noch in Syrien bleiben müssen“, berichtet Krolla-Bohr. Doch durch die Abschiebung habe die Familie über 36 Monate kein Recht zur Einreise in die EU. Das bestätigt die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung und verweist darauf, dass die Familie bis zu ihrer Abschiebung durch eine erfahrene Rechtsanwältin und das Pfarramt für Ausländerarbeit begleitet wurde.
SPENDEN
Wer für die Familie spenden möchte, kann das über ein Konto des Kirchengemeindeverbands Sponheimer Land tun.
IBAN DE 85 5609 0000 0000 9330 62, Verwendungszweck: Spende Familie Danian.
Eine Aufforderung zur freiwilligen Ausreise hatten die Familie laut Kreisverwaltung jedoch abgelehnt. „Eine freiwillige geförderte Rückkehr zur Vermeidung der Abschiebung wäre nach Armenien, aber auch nach Syrien, möglich gewesen“, teilt die Kreisverwaltung mit. Lehrerin Astrid Becker kann nachvollziehen, dass die Familie das nicht wollte: „Wenn ich weiß, ich komme in ein Land, in dem ich die Sprache nicht spreche, in dem ich nicht zur Schule gehen kann, dann würde ich auch nicht gehen wollen. Ich kann das verstehen. Sie haben gehofft: Vielleicht kommt noch ein Wunder.“ Leyla sagt: „Wir wünschen uns, dass der Georg zurückkommt. So was soll auch anderen Leuten nicht mehr passieren. Das ist einfach schlimm.“